Wirtschaftskrise und Inflation (Teil 2)

Obwohl mein Fokus auf den Themen des Produktmanagements liegt, schreibe ich gelegentlich gerne auch über Aspekte aus der Volkswirtschaftslehre. Was liegt derzeit näher, als, dass ich mich mit der Finanz- und Wirtschaftskrise auseinandersetze.

Staatsschulden

In meinem Artikel → Wirtschaftskrise und Inflation habe ich begonnen, über die volkswirtschaftliche Bedeutung von Staatsschulden zu schreiben, bzw die Entstehungsmechanismen von Inflation zu beleuchten.

Hintergrund des Artikels war die Beobachtung, dass sich wohl derzeit allgemein ein Gefühl breitzumachen scheint, wir hätten am Ende der Wirtschaftskrise mit größeren Inflationstendenzen zu rechnen. V

iele Menschen haben wahrgenommen, in welchem rasanten Tempo die Liquidität der Finanzmärkte gesteigert wurde, und wie sehr sich die einzelnen Volkswirtschaften verschuldet haben. Hieraus leiten sie ihre Befürchtungen ab, dass es zu einer großen Geldentwertung kommen wird.

Studie zur Inflationserwartung

Auf Müller’s Welt (Manager-Magazin) habe ich einige inspirierende Informationen in dem Artikel → Wie die Inflation uns schadet gefunden. Darin wird eine → Studie (PDF-Format) von Karsten Junius (Dekabank), behandelt, die zahlreiche mögliche Inflationsszenarien näher analysiert.

Er beginnt seinen Beitrag mit der Aussage, dass die hoch verschuldeten Staaten folgende Möglichkeiten haben, um diese Schulden abzubauen:

  • Erhöhung der Staatseinnahmen (Steuer- und Abgabenerhöhung)
  • Senkung der Staatsausgaben (Leistungseinschränkungen)
  • Deflationionierung der Staatsverschuldung (Höhere Inflation)

Im Einzelnen stellt er die folgenden Szenarien für den Schuldenabbau vor, denen er jeweils eine unterschiedliche Eintretenswahrscheinlichkeit beimisst.

Diese setzen sich jeweils aus den genannten einzelnen Massnahmen zusammen, und unterscheiden zudem die beiden Einflusssphären der EZB und der Fed:

  • Unveränderte Inflationspräferenzen und glaubwürdige Notenbanken
  • Fed toleriert höhere Inflationsraten; EZB bleibt bei ihrer Inflationsnorm und ist glaubwürdig
  • Fed toleriert höhere Inflationsraten; EZB bleibt bei ihrer Inflationsnorm, ist aber unglaubwürdig
  • Fed und EZB tolerieren höhere Inflationsraten, bleiben aber zunächst glaubwürdig
  • Fed und EZB tolerieren höhere Inflationsraten und werden schnell unglaubwürdig

Er sieht das erste Szenario als das wahrscheinlichste an, ist jedoch der Meinung, dass alternative Szenarien bestehen, die in den USA oder in Europa zu höheren Inflationsraten führen können.

Weitere Faktoren

Meiner Meinung nach sind weitere Faktoren mitentscheidend für die Eintreffenswahrscheinlichkeit der einzelnen Szenarien:

  • Zwar sind moderate Inflationsraten (unter 5%) als unkritisch in Bezug auf die wirtschaftliche Entwicklung zu sehen. Insofern läge der Verdacht nahe, man könne sich mit solchen moderaten Raten anfreunden wollen. Auf der anderen Seite hat man in den 1980iger Jahren zum Beispiel in Lateinamerika Politiken des deficit spending verfolgt, bei denen bewusst eine moderate Inflationsrate in Kauf genommen wurde. Man hat hier allerdings schnell gelernt, dass diese Raten kontinuierlich anwachsen d.h., dass es fast unmöglich ist, eine Volkswirtschaft auf einem niedrigen Niveau halten zu wollen. Dies spräche sowohl bei der Fed, als auch bei der EZB für Politiken der unveränderten Inflationspräferenzen.
  • Kenngrößen wie die Inflation, oder indirekt auch das Wirtschaftswachstum hängen stark von den Erwartungen der Marktteilnehmer ab. Bereits der Beschreibung der einzelnen Szenarien ist zu entnehmen, dass es für inflationistische Politiken entscheidend ist, inwieweit die Zentralbanken die Märkte mit einzelnen Maßnahmen überraschen, und inwieweit es ihnen gelingt, glaubwürdig zu bleiben. Auch hier hat man in Lateinamerika festgestellt, dass eine Änderung der Inflationsnorm als problematisch anzusehen ist. Dies liegt daran, dass dies beide Parameter ungewollt so ändern kann, dass die Markterwartungen chaotisch reagieren. In einem solchen Zustand ist es besonders schwierig, auf eine moderate Inflationsrate abzuzielen. Deshalb spräche viel dafür, dass die Zentralbanken nun auch jetzt das alte Regime weiterverfolgen.

Stellungnahme der EZB

Kürzlich war im Handelsblatt ein aufschlussreiches Interview zu lesen mit einem hohen Vertreter der EZB → EZB wird drohende Inflation „nicht tolerieren“. Dieser Artikel ist aus zweierlei Gründen wichtig:

  • Die EZB beginnt darin, den Marktteilnehmern ein glaubwürdiges Szenario vorzustellen, dass auf eine Beibehaltung der Inflationspräferenzen hindeutet. Dies deutet auf eines der erstgenannten drei Szenarien hin. Wie Sie der obigen Studie entnehmen (und wenn diese Aussage so eintritt), ist es demnach wahrscheinlich, dass wir mit moderaten Inflationsraten unter 4% zu rechnen haben (Durchschnitt im Euroraum).
  • Er kommt weiterhin nochmal darauf zu sprechen, welches Inflationspotential konkret in den einzelnen staatlichen Hilfspaketen verborgen ist. Hierzu muss man wissen, dass es mehrere Geldmengenaggregate gibt. Während die Geldmenge M0 die Geldmenge misst, die den Geschäftsbanken zur Verfügung gestellt wird, quantifiziert M3 die Geldmenge, die dem gesamten Markt zugänglich ist. Nur M3 ist relevant für die Inflation, weil Inflation letztendlich nur dann zustande kommt, wenn der Gesamtmarkt über größere Liquidität verfügt, als er benötigt. Hier ist wichtig zu wissen, dass derzeit nur M0 stark zugenommen hat, während M3 sich sogar vermindert. Die EZB traut sich zu, die zusätzliche Geldmenge M0 über technischen Massnahmen wieder aus dem Markt zu bekommen. Dies spräche gegen eine größere Inflation.

Nach meinem Verständnis wird der Übergang von der Krise in die Nachkrisensituation entscheidend sein, und sollte besonders beobachtet werden.

Sollte die Wirtschaftskrise wieder umschlagen in Wachstum, ist es besonders wichtig, dass die Zentralbank die überschüssige Liquidität M0 wieder entnimmt, um so zu verhindern, dass die Geschäftsbanken diese Liquidität an den Markt weitergeben. Die Frage ist, ob und inwieweit dies geschieht.

Derzeit leben wir allerdings unverkennbar noch in einer Krisensituation mit der Gefahr von Kreditklemmen und deflationären Tendenzen.

Lassen wir uns überraschen!

Weiterführende Informationen

Das Original dieses Artikels ist auf Der Produktmanager erschienen (©Andreas Rudolph). Regelmäßige Artikel gibt es über die (→Mailingliste), oder indem Sie →mir auf Twitter folgen. In der Online Version finden Sie hier die versprochenen weiterführenden Links:

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