Produktmanagement,Twitter, und Web 2.0

Heute bin ich gefragt worden, ob ich es für sinnvoll halte, wenn das Produktmanagement bloggt, twittert, und sich auch sonst mit dem eigenen Produkt aktiv für die Firma an den neuen Medien beteiligt.

Die Frage läßt sich in der gebotenen Kürze nicht abschliessend beantworten. Trotzdem werde ich heute einige Gedanken hierzu zusammentragen.

Umfeld

Zunächst sollte ich die Fragestellung ein wenig abgrenzen, und genauer fassen.

Marketing

Ich denke, es ist unstrittig, daß es für Unternehmen durchaus Sinn macht, in einen regen und regelmäßigen Austausch mit Kunden zu treten. Daher kann man auch viele Firmen beobachten, die sich über das Internet mit den Mitteln des Web 2.0 Fangemeinden schaffen – Sie müssen nur einmal einen näheren Blick auf ihre üblichen Lieblingswebseiten werfen, um festzustellen, daß heutige Unternehmen vielfach Communities unterhalten, auf Facebook posten, Twittern, und sich auch sonst mit einer Fangemeinde verbandeln.

Solche Bemühungen werden ganz häufig aus dem Marketing getrieben. So liegt üblicherweise auch die Verantwortung für den Web2.0-Auftritt eines Unternehmens in den Händen des Marketings. Auch geht es bei diesen Transaktionen um die Kundenbindung, und damit darum, daß Kunden eine „Heimat“ finden.

Produktmanagement

Ein Produktmanagement arbeitet üblicherweise an anderen Themen, und arbeitet insbesondere (gedanklich) als Vermittler zwischen der Entwicklung, dem Marketing und dem Kunden. Ganz grob kann man sagen, daß sich das technische Produktmangement um folgende Bereiche kümmert:

  • Rollin von Anforderungen: D.h Klären der Frage, wie die Produkte aus Kundensicht aussehen sollen, welche Leistungsmerkmale wie wichtig sind, und warum.
  • Entwicklung: Hiermit gemeint sind die entwicklungsbegleitenden Tätigkeiten, die dazu dienen ein Produkt zu entwickeln, beginnend bei der Spezifikation, und endend bei der Teilnahme an Tests.
  • Rollout: Hierbei handelt es sich um den Schritt in dem die Produktvorteile herausgearbeitet werden. Normalerweise ist hierfür eine gute Kenntnis des Produkts notwendig, und der Kundenanforderungen, die zu dem Produktmerkmal geführt haben.

Bei der Frage, ob es Sinn macht, daß ein Produktmanagement bloggt, twittert, etc geht es also um die Frage, ob es aus der Sicht dieser Kernaufgaben sinnvoll ist.

Boggendes Produktmanagement

Der regelmäßige Kontakt mit der Außenwelt über das Vehikel des Web 2.0 (Blogs, Twitter, Facebook, etc) hat einige Vorteile.

Vorteile

Groundswell

So  ist es relativ einfach möglich, sich mit Web 2.0 Methoden mit Menschen und Gruppen zu vernetzen, die an ähnlichen Themen und Inhalten arbeiten. Alleine, wenn man es als gegenseitiges Geben und Nehmen versteht, kann man sich über die aktive Teilnahme am Internet einen beruflich relevanten Überblick verschaffen, der früher so nicht möglich gewesen wäre.

Wenn man es richtig organisiert, liefert das Web 2.0 quasi automatisch die Hintergrundinformation, die notwendig ist, um den Kontext zu verstehen, in dem man sich als Firma, und in dem sich die potentiellen Kunden befinden.

Ich beispielsweise nutze diverse Web 2.0 Verfahren, um mir regelmäßig einen Überblick zu verschaffen, über die Themen, die in meinem Bereich gerade wichtig sind. Dabei muß ich nicht übermäßig viel Zeit vor dem Rechner aufwenden, weil die Tools bereits viel liefern, und mir viel abnehmen.

Spezifische Anforderungen

Web 2.0 Methoden sind ebenfalls hilfreich um auf die Ebene der eigentlich relevanten Problemstellungen zu kommen. Wieder, wenn man es richtig organisiert, ist es durchaus möglich, sich relativ schnell in Problemstellungen einzuarbeiten, die die Kunden beschäftigen. Um auf anderem Wege hier hinzukommen, müßte man große Kundenpanels durchführen oder Marktstudien.

Neulich habe ich über das Thema → Final Cut Pro – Produktmanagement-Perspektive geschrieben, das sich zwischenzeitlich weiterentwickelt hat. Wenn man sich dieses Problem näher ansieht, kann man mutmaßen, daß die Verantwortlichen bei Apple über das Verfolgen von Blogs und Berichten gelernt haben, was der Grund für den missglückten Launch war, und welche Gegenmaßnahmen sinnvoll sind. Gleichzeitig nutzen sie die Mechanismen des Webs, um die Lösung zu liefern, und zu beschreiben.

Ausbildung

Gerade technische Produkte sind oft so komplex, daß man auf Seiten des Marktes Lernphasen benötigt. Web 2.0 Methoden vereinfachen diesen Know How Transfer ebenfalls signifikant. Auf der einen Seite helfen einem andere Kunden bei der Lösung kniffeliger Fragen. Auch erlauben es einem Web 2.0 Methoden relativ gezielt an die relevanten Nutzer heranzukommen, und die Wiederverwendung von Informationen zu forcieren (Blogbeiträge oder Forumseinträge können gefunden werden).

Diese Merkmale vereinfachen damit die Aktivitäten, die notwendig sind, um ein Produkt inhaltlich zu vertreten.

Nachteile

Web 2.0, Blogs, Twitter, Facebook haben aber auch Nachteile, die man nicht übersehen sollte.

Unterschätzer Aufwand

Eigentlich zählen Aktivitäten im Web nicht zu den Aufgaben des Produktmanagements. Es ist also wahrscheinlich, daß man oft nicht die ausreichenden Kapazitäten hat, um Blogginginitiativen und Co zu unterstützen. Trotzdem haben die Menschen, mit denen man sich virtuell zusammenschliesst, ein gewisses Anrecht zeitliche Zuwendung zu bekommen, insbesondere, wenn es sich um Kunden handelt.

Wie überall: Wo Vorteile sind, sind auch Kosten verbunden – entweder man schafft es, daß die Firma auch den zeitlichen Freiraum gibt, oder, es endet damit, daß es sich beim Bloggen um eine Zusatzaufgabe handelt. Hier ist das Problem, daß es nicht einfach ist, eine Aktivität auch wieder einzustellen, auch wenn es eigentlich keine Kapazität gibt, nachdem die Phase der Begeisterung vorbei ist.

Falsche Betreuung

Um es einmal platt auszudrücken: Nicht jeder Mitarbeiter im Produktmanagement ist ein begnadeter Schreiber, und nicht jeder weiß, wie er mit kritischen Fragen umgehen soll. Daher ist es im Prinzip notwendig, die bloggenden Produktmanager zu betreuen, und ihnen Hilfestellungen zu geben. Oft ist diese Hilfestellung am schwierigsten zu bekommen, und auch als erstes wieder eingespart.

Damit besteht die Gefahr, daß der einzelne Mitarbeiter alleine dasteht, wenn es drauf ankommt. Gerade, wenn es Gegenwind zum eigenen Produkt gibt, kann genau dieser Punkt größere Komplikationen verursachen.

Speziell dieser Punkt wird besonders wichtig, wenn man daran denkt, daß Mitarbeiter auch wechseln können, und es deshalb auf einen Know How Transfer ankommt.

Fazit

Insgesamt halte ich es für sinnvoll, sich aktiv im Netz zu beteiligen, und die diversen Möglichkeiten zu nutzen, sich hier ein Wissensnetzwerk aufzubauen. Für mich überwiegen demnach die Vorteile die Nachteile.

Bevor man nun aber als größeres Team hingeht, und jeden Mitarbeiter im Produktmanagement in dieses Medium läßt, halte ich eine solide Vorarbeit für sinnvoll. Auf der einen Seite sollten die Mitarbeiter ausgebildet sein. Auf der anderen Seite sollte man sich aber auch ein Gesamtkonzept zusammenstellen, daß man realistischerweise auch umsetzen und langfristig aufrechterhalten kann.

Weiterführende Informationen

… auf www.Produkt-Manager.net

In meinen älteren Artikeln finden Sie weiterführende Informationen zum heutigen Thema:

Kontakt

Das Original dieses Artikels ist auf Der Produktmanager erschienen (©Andreas Rudolph). Regelmäßige Artikel gibt es über die (→Mailingliste), oder indem Sie →mir auf Twitter folgen. In der Online Version finden Sie hier die versprochenen weiterführenden Links:

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