The Long Tail

41JhcQPbyFL._BO2,204,203,200_PIsitb-sticker-arrow-click,TopRight,35,-76_AA300_SH20_OU03_Ich habe vor Kurzem das Buch → The Long Tail – Der lange Schwanz: Nischenprodukte statt Massenmarkt – Das Geschäft der Zukunft von Chris Anderson gelesen. Hier möchte ich kurz darauf eingehen, und auch überlegen, inwieweit es auf das Produktmanagement im Softwaresektor übertragbar ist.

Jeder von uns kennt die sogenannte 80:20 Regel (→ Pareto-Verteilung), nach der 20% der einen Größe, 80% einer anderen Größe ausmachen. Zum Beispiel macht eine Firma oft mit 20% der Produkte 80% des Umsatzes.

Hits versus Tail

Auf der Grundlage dieser Regel ist in der realen Ökonomie heute noch, wie in der Vergangenheit, allgemein üblich:

  • Resourcen, wie Lagerflächen, Verkaufsräume,… stehen nur in begrenztem Umfang zur Verfügung.
  • Um die kostspielige Resource möglichst gut auszunutzen, sind diese Unternehmen darauf angewiesen sich auf ebendiese 20% zu konzentrieren.

Dies hat dazu geführt, das viele Firmen permanent auf der Suche nach Hits, bzw Verkaufsschlagern sind. Die Kehrseite der Medaillie ist, dass durch diese Konzentration Vielfalt verloren geht (bildlich gesprochen der Teil, der nicht zu den 20% gehört, den er als Tail, oder auch Schwanz/ Rücken bezeichnet), obwohl sie natürlich nach wie vor existiert. Anderson stellt nun fest, dass verschiedene Entwicklungen, und inbesondere das Internet dazu geführt haben, dass der Tail sich immer mehr verlängert. Beispielsweise hat sich der Kataloghandel als Alternative zum Kolonialwarenladen entwickelt, und später ist der Supermarkt hinzugekommen. Jedes Mal haben die Verbraucher zusätzliche Auswahl erhalten, und Kosten gespart. Internethandler haben fast keine Kosten mehr, d.h. können  den Long Tail weiter erschliessen. Hierfür sind einige Bedingungen notwendig.

Elemente des Long Tail

Hier die Elemente, und der Entstehungszyklus des Long-Tail:

  • In den meisten Märkten existieren mehr Nischenprodukte als Schlager – je erschwinglicher die Produktionsmittel werden, desto mehr.
  • Die Kosten sinken, die notwendig sind, um die Nischen zu bedienen, d.h. die Anzahl der Angebote steigt.
  • Da die Nachfrage dem nicht standhält müssen dem Verbraucher Mittel gegeben werden, um diese Produkte zu entdecken. Durch diese Filter wird der Long Tail länger.
  • Die Nachfragekurve flacht ab.
  • Die Nischenprodukte summieren sich auf, und machen mengenmäßig und wertmäßig den Hits Konkurrenz.
  • Eine Nachfragekurve entsteht, die nicht mehr durch Vertriebsengpässe, Informationsmangel, oder begrenzter Regalfläche verzerrt wird.

Der Auslöser ist, dass die Kosten sinken, die notwendig sind, um die Nischen zu erreichen. Dies geschieht zum Beispiel dann, wenn die Produktionsmittel demokratisiert werden, und wenn die Vertriebs- und Informationskosten abnehmen. Er geht in diesem Zusammenhang auf Beispiele ein, in denen sich Menschen organisieren, um gleichberechtigt zu produzieren (Crowdsourcing, Wikipedia, Peer-Production, etc). Neue Märkte enstehen dadurch, dass Aggregatoren auftreten, die dieses gewachsene Angebot organisieren. Er nennt folgende Beispiele:

  • Sachgüter (Amazon, eBay)
  • Digitale Güter (iTunes, iFilm)
  • Werbung (Google oder Craiglist)
  • Information (Google oder Wikipedia)
  • Communities (mySpace, Bloglines)

Relevanz für die Softwareentwicklung

Das Buch handelt hauptsächlich von der Musikindustrie, bzw Medien allgemein. Nur ganz kurz spricht Anderson andere Industriebereiche an. Es ist als Buch lesens- und empfehlenswert, bringt jedoch für diese anderen Industriebereiche nur die Grundidee.

  • Interessant an seiner mit Zahlen belegten Theorie ist, dass die Erschliessung der Nischen offensichtlich einen großen Wertbeitrag liefern kann. Während  die Spitze meist hart umkämpft ist, ist die Wettbewerbslage in den Nischen wesentlich entspannter,  was dazu führt, dass die Spannen zunehmen. Strategisch eingesetzt, kann also über eine Long-Tail Strategie eine Ergebnisverbesserung erzielt werden. Hierzu muss das Produkt in der Lage sein, individualisierte Bedarfe zu befriedigen.
  • Ein Long-Tail kann entstehen, wenn man den Verbrauchern Produktionsmittel in die Hand gibt. Dies läßt sich ebenfalls strategisch einsetzen, um ein eigenes Produkt zu positionieren (siehe zum Beispiel Apple’s Entwicklungskit für iPhone Anwendungen). Ein Long Tail erfordert einen Aggregator, d.h. jemanden der die Verbraucher dabei unterstützt, den Tail zu erkunden. Dies kann in dasselbe Angebot eingebaut werden (siehe z.B. Apple’s App-Store für iPhone Anwendungen).
  • Im bisherigen Denken war jeder von uns auf den Pareto – Ansatz fixiert, d.h. letztendlich darauf geeicht, die Vielfalt möglichst einzuschränken. Der Long-Tail Ansatz ist deshalb interessant, weil er die Individualisierung der Bedarfe wieder in den Vordergrund stellt. Dies kann man auch zum Geschäftsprinzip machen. Man würde hierzu Produkte so gestalten, dass sie veränderlich sind, oder sogar erst on-demand hergestellt werden.
  • Der Long Tail Gedanke legt es ebenfalls nahe, Kunden zu beteiligen. Dies kann dadurch gelingen, dass man sein Unternehmen öffnet, und zum Beispiel über Communities mit ihnen in Verbindung tritt. Eine weitere Alternative wäre, dass man sich zu seinem Produkt gezielt eine Fangemeinde aus Lead-Usern aufbaut, die man ggfs sogar speziell unterstützt.

Weiterführende Informationen

Das Original dieses Artikels ist auf Der Produktmanager erschienen (©Andreas Rudolph). Regelmäßige Artikel gibt es über die (→Mailingliste), oder indem Sie →mir auf Twitter folgen. In der Online Version finden Sie hier die versprochenen weiterführenden Links:

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