Wie Sie die Aktionen Ihrer Konkurrenten vorhersagen

Unter dem Titel Wie Sie die Aktionen Ihrer Konkurrenten vorhersagen (→ Teil 1, → Teil 2) ist im Harvardbusinessmanager  eine zweiteilige Serie zu lesen über die Thematik Wettbewerbsforschung.

Da der Harvardbusinessmanager seine Artikel ab einem bestimmten Zeitpunkt in Bezahlartikel umdefiniert, möchte ich Ihnen heute eine Zusammenfassung der Inhalte nicht vorenthalten.

Zusammenfassung

In einer Studie der Unternehmensberatung McKinsey & Company ist herausgekommen, dass 2/3 der Strategieverantwortlichen denken, dass Unternehmen die wahrscheinlichen Wettbewerbsreaktionen in ihren Entscheidungen berücksichtigen sollen. Eine andere Studie (David B. Montgomery et al, 2005) hat aber festgestellt, dass nicht einmal 10% der Manager dies auch umgesetzt haben.

Für diesen geringen Anteil ist u.a. die Komplexität der Spieltheorie verantwortlich, welche ja methodisch für diese Art von Untersuchungen oft verwendet wird. McKinsey hat deshalb ein einfaches Model entwickelt, dass es relativ einfach macht, die wahrscheinlichen Reaktionen des Wettbewerbers auf die eigene Strategie vorhersagen. Der Ansatz basiert auf den folgenden Fragestellungen:

  • „Wird der Wettbewerber überhaupt reagieren?
  • Welche Reaktionsmöglichkeiten wird er erwägen?
  • Für welche Möglichkeiten wird er sich entscheiden?“

Wird der Wettbewerber überhaupt reagieren?

Viele Manager übersehen die Möglichkeit, dass ein Wettwerber unter Umständen bewusst, oder unbewusst auf die eigene Strategie nicht reagieren wird. Die Autoren denken, dass dies daran liegt, dass viele Manager die Horrorgeschichten kennen von Firmen, die Wettbewerbsstrategien übersehen haben. Da diese Manager selbst nicht schlecht dastehen wollen, vernachlässigen sie die Möglichkeit einer nicht-Reaktion.

Sie empfehlen, dass man sich trotzdem genau die Frage stellt, ob der Wettbewerber überhaupt reagiert, bevor man seine eigene Wettbewerbsstrategie entwirft. Hierfür sind folgende ergänzende Fragen sinnvoll:

  • Wird der Wettbewerber die eigenen Maßnahmen wahrnehmen? Unternehmen verfügen über unvollständige Daten. Speziell bei Wettbewerbsprodukten die bereichsübergreifend wirken, kann es zudem vorkommen, dass die einzelnen Bereiche diese Produkte jeweils für unwichtig einschätzen. Beides führt dazu, dass der Wettbewerber ihren Produkt überhaupt nicht wahrnimmt.
  • Wird sich der Wettbewerber von ihrer Massnahme bedroht fühlen? Ihr Wettbewerb wird sich intern an Zielvorgaben ausrichten. Sollte er davon ausgehen, dass die eigenen Finanzziele trotz ihrer eigenen Massnahme erreicht werden können, kann es möglich sein, dass ihr Wettbewerber sich nicht bedroht fühlt. Sie erheben die notwendigen Informationen, indem Sie z.B. die Gewinnziele ihres Wettbewerbers erheben.
  • Hat eine Reaktion für ihn Priorität? Ihr Wettbewerber wird vermutlich seine internen Prioriäten nur sehr ungerne ändern. Darüberhinaus sind seine Ziele oft vorgegeben. Wenn die eigene Gegenmaßnahme kurzfristig teurer wäre, als das Nichtreagieren, ist es möglich, dass Ihr Wettbewerber nur unzureichend auf ihre Massnahme reagiert.
  • Kann Ihr Wettbewerber die eigene Trägheit überwinden? Viele Reaktionen machen es erforderlich, dass Ihr Wettbewerber seine eigenen Strategien, oder Organisationen ändern muss. Hierbei kann es passieren, dass seine eigenen internen Widerstände eine Reaktion verhindern oder verlangsamen. Weiterhin geben Menschen nur ungern die erlernten Erfolgsrezepte auf, oder tun es nur sehr unzulänglich. Es ist ebenfalls möglich, dass ihr Wettbewerber Schwierigkeiten damit hat, mit Dritten zusammenzuarbeiten, dies aber notwendig wäre, um zu reagieren. All dies kann dazu führen, dass ihr Wettbewerber von eine Reaktion absieht.

Welche Reaktionsmöglichkeiten wird der Wettbewerber erwägen?

Wettbewerber verfügen normalerweise über eine große Menge von Reaktionsmöglichkeiten. Trotzdem ist es oft so, dass Unternehmen, z.B. aus Zeitgründen, nur eine eingeschränkte Menge dieser Möglichkeiten überhaupt evaluieren. Untersuchungen haben ergeben, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass sich die Reaktionsmöglichkeiten wie folgt beschränken:

  • Auf die offensichtliche Gegenmaßnahme.
  • Reaktionsmöglichkeit, die in einer ähnlichen Situation verwendet wurde.
  • Die Erfahrungen des Geschäftsbereiches, die beim vorletzten mal verwendet wurde.

Für welche Möglichkeiten wird er sich entscheiden?“

In den klassischen Ansätzen würde man nun die Spieltheorie verwenden, um zu einer Auswahl der wahrscheinlichsten Aktion zu kommen. Hierbei würde man relativ komplexe Verfahren verwenden.  Eine einfachere Methode basiert auf folgenden Fragen:

  • Wie viele Züge im Voraus denkt ihr Konkurrent? Normalerweise wird Ihr Wettbewerber auch auf andere Wettbewerber reagieren. Daher ist es wahrscheinlich, dass er sich auf die einfachsten Analysen beschränkt.
  • Welche Kennzahlen verwendet der Wettbewerber? Um die Entscheidungsgrundlagen herauszufinden, auf deren Grundlage Ihr Wettbewerber entscheidet, sollten Sie sich fragen, welche Kennzahlen seine jüngsten Entscheidungen wohl veranlasst haben. Desweiteren müssen Sie sich überlegen, mit welchem Entscheidungsprozess er arbeitet (häufig handelt es sich hierbei um das Bauchgefühl des Managers). Sie sollten deshalb ein Bauchgefühl für das Bauchgefühl Ihres Wettbewerbers entwickeln.

Einordnung

Der Artikel ist für mich aus mehreren Gründen interessant.

1. Wettbewerbsstrategien

Erst einmal informiert der Artikel über einen relativ einfachen Ansatz, um den Faktor Wettbewerb ohne großen Aufwand in unternehmerische Entscheidungen einzubeziehen. Die dort vorgestellten Techniken erlauben es, eigene (Produktstrategien) so auszugestalten, dass sie die Wettbewerbsreaktionen mitberücksichtigen. Dies ist deshalb wichtig, weil man so in der Lage ist, mehrdimensionale Produktstrategien zu entwerfen, die sich dynamisch verhalten.

2. Neuproduktstrategien

Viele Neuprodukteinführungen konkurrieren gegen einen existierenden Wettbewerb. Über die dort vorgestellten Methoden kann man nun gezielt seine Neuprodukteinführungen so ausgestalten, dass sie ggfs unter der Wahrnehmens-, oder Reaktionsschwelle des Wettbewerbers bleiben. Wenn man also die Zwänge mitbedenkt, in denen der Wettbewerber und sein Management steckt, und, wenn man seine eigenen Produkte/Produkteinführungen so ausgestaltet, dass sie unter der Reaktiunsschwelle bleiben, kann es einem gelingen, sein neues Produkt quasi unbemerkt einzuführen.

Damit erklärt dieser Artikel die Hintergründe, die man benötigt, um zu verstehen, warum Christensen disruptive Strategien für erfolgversprechend hält (siehe Blogpost → Innovation – The Innovator’s Dilemma).

3. Eigene Schwächen

Die hier gezeigten Abschätzungen gelten natürlich auch umgekehrt. Sie können daher die gezeigten Methoden verwenden, um festzustellen, in welchen Bereichen Ihr eigenes Unternehmen vorsichtig sein muss, um keine Gegenreaktion zu übersehen.

Weiterführende Informationen

Das Original dieses Artikels ist auf Der Produktmanager erschienen (©Andreas Rudolph). Regelmäßige Artikel gibt es über die (→Mailingliste), oder indem Sie →mir auf Twitter folgen. In der Online Version finden Sie hier die versprochenen weiterführenden Links:

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