Am Wochenende hat sich die Krise in Griechenland dramatisch zugespitzt. Nicht wenige Menschen zweifeln an dem Sachverstand der handelnden Politiker und manchem geneigten Leser fallen Ungereimtheiten in der Presseberichterstattung auf.
Daher habe ich mich in den letzten Tagen (mal wieder) in der entsprechenden Fachliteratur umgetan.
Gestern war der Chef des Rettungsschirms bei Günther Jauch zu Gast und hat dort u.a. die eigentlichen Krisenursachen erläutert.
Soviel sei verraten: Sie sind durchaus vergleichbar mit den Krisenauslösern in anderen Ländern (z.B. Argentinien, Brasilien, etc), d.h Griechenland ist kein Einzelfall.
Demnach sind nach Einführung des Euros in Griechenland vor einigen Jahren die Löhne und Sozialleistungen rasant gestiegen, was letztendlich dazu geführt hat, daß die Wettbewerbsfähigkeit abgenommen hat.
Die politisch Verantwortlichen haben hiergegen nicht viel unternommen, sondern es stattdessen vorgezogen, diese mangelnde Wettbewerbsfähigkeit auf Pump zu finanzieren, was zu Lohnsteigerungen und Rentenerhöhungen weit über das „angemessene“ Niveau geführt hat (Hierbei bedeutet „angemessen“, daß die Löhne und Renten in Relation zur Wirtschaftsleistung stehen, auch wenn der „soziale“ Lohn in einzelnen Lohngruppen vielleicht viel höher sein müßte).
2010 gab es dann durch die Finanzkrise einen „exogenen Schock“. Die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit und der hohe Schuldenberg führt spätestens seit 2010 zu einer Schieflage der Volkswirtschaft und zu einem rasant weiter ansteigenden Schuldenberg (Anm: die argentinische Schuldenkrise in den 1980igern ist ähnlich entstanden, und entlud sich später in mehreren Hyperinflationswellen).
Die diversen Hilfsprogramme, die andere Länder seitdem aufgelegt haben, nutzen Griechenland direkt, d.h sollten auch als echte Hilfe verstanden werden. Parallel zu den Hilfen hat Griechenland Sparauflagen zu erfüllen, die letztendlich dem Land bisher schon ökonomisch genutzt haben, auch wenn man es nicht immer direkt im Detail sieht.
In einem Artikel im Spiegel (→ Griechenland-Talk bei Günther Jauch: Stoiber schreit den Grexit herbei) heißt es hierzu falsch:
„Er lobte es als Erfolg, dass die Einkommen und Pensionen der Griechen seit der Schuldenkrise um rund 30 Prozent gekürzt worden seien. Man brauche aber „eine Regierung, die dahintersteht“.“
Das wurde so nicht gesagt. Vielmehr hat der Chef des Rettungsschirms erklärt, daß das Land u.a. über die Sparauflagen seine Wettbewerbsfähigkeit verbessert hat.
Sparauflagen waren zum Beispiel das Absinken der Renten, oder weitere Einsparungen, d.h der Erfolg war die Verbesserung der Lage, und nicht die Kürzung. Dazu sollte eine Regierung stehen.
Der Internationale Währungsfonds ist und war in vielen Ländern an der Stabilisierung beteiligt, so z.B. in Lateinamerika, und besitzt eine sehr große Erfahrung in der Sanierung von gescheiterten Volkswirtschaften (Anm: der gleiche IMF der von manchem Politiker öffentlich als „Verbrecher“ verunglimpft wird).
Auf der Homepage des IMF findet man umfangreiche Beschreibungen, Erfahrungsberichte und Studien zu den hierbei generell zur Anwendung kommenden wirtschaftspolitischen Programmen.
So beschreibt die Studie „→How to Get the Balance Right: Fiscal Policy At a Time of Crisis“ wie Schweden in einer ähnlichen Situation vorgegangen ist.
Dem folgenden Zitat kann man entnehmen, daß bei der Bekämpfung von Schieflagen oft eine Mischung aus „Sparen“ und „Strukturreformen“ zum Einsatz kommt:
„In response, Sweden initiated a comprehensive set of reforms. Favorable external conditions helped, but domestic policies played a critical role in the adjustment. Strong fiscal tightening was implemented to regain fiscal sustainability and market confidence. This was accompanied by the effective handling of the crisis in the financial sector, and structural reforms that raised Sweden’s competitiveness, long-term growth rates, and real wages. A new fiscal policy framework—founded on a surplus target, a medium-term expenditure ceiling and a comprehensive top-down budget process—has since helped preserve strong public finances and prepared Sweden well for the current crisis.“
Die Stoßrichtung der einzelnen Maßnahmen ist hierbei ähnlich wie in Griechenland:
Solche Anpassungsprogramme sind oft schmerzhaft, das steht außer Frage. So waren die Agenda 2010 Änderungen in Deutschland schmerzhaft, oder das Restrukturierungsprogramm in Argentinien, oder so ist sicher die Anpassung in Griechenland schmerzhaft.
Trotzdem sind sie diese Anpassungen in bestimmten Situationen nicht zu vermeiden, und fatalerweise, werden die notwendigen Anpassungen umso drastischer, je länger ein Land seine Hausaufgaben auf die lange Bank schiebt (die mehrfache Hyperinflation in Argentinien war z.B. eine besonders drastische Anpassung, die viele Verlierer hinterlassen hat).
Daher waren die Hartz IV Gesetze sicher moderater als das was Griechenland heute zu leisten hat, und daher ist es sehr bedauernswert für die Menschen, daß man bei Griechenland bereits von einem verlorenen Jahr spricht.
Ein Medienkonsument wie ich es bin, nimmt mindestens zwei Dinge wahr:
Der Fachmann wird zustimmen: Gerade in der Wirtschaftspolitik kommt es auf „Vertrauen“ an. Viele Maßnahmen erfordern „Vertrauen“, und es gibt sogar fachliche Zusammenhänge, die jeder Student lernt (z.B. „rational expectations“), die zeigen warum Vertrauen wichtig ist.
Wie schädlich eine beobachtete Verhandlungstaktik für das Land selbst ist liegt auf der Hand. Viel schlimmer noch, der Schaden ist bereits in den makroökonomischen Zahlen abzulesen.
Wer es nicht glaubt, sollte den „IMF Data Mapper ®“ der unten verlinkt ist, aufrufen, und sich beispielsweise die Wachstumskurve Griechenlands ansehen. Dort gibt es einen tiefen Einschnitt um 2010, und seit einiger Zeit eine signifikante Verbesserung der Lage. Diese Verbesserung kommt vor ca 5 Monaten zum Stillstand.
In der Realität treibt dieser Stillstand die Schulden in weitere Höhen (und kostet damit Geld), und viel schlimmer: Es verlängert den schmerzhaften Anpassungsprozess, und macht ihn noch schmerzhafter.
Mein Professor hätte dies auf einen fachlichen Nenner gebracht: Schlechte (Wirtschafts-) Politik.
Bleibt zu hoffen, daß man sich angesichts der Kapitalverkehrskontrollen endlich die richtigen Fragen stellt.
Das Original dieses Artikels ist auf →Der Produktmanager erschienen (©Andreas Rudolph). Folgeartikel zum Thema gibt es über die (→Mailingliste), oder indem Sie →mir auf Twitter folgen.
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