Zukunft des Euro und die unfaire Argumentation

Während der Abstimmung in Griechenland wurden Infografiken verwendet und Argumente vorgebracht, die mehr als merkwürdig aussahen – um nicht zu sagen nach Demagogie rochen.

Bei vielen Informationen sind zudem Zweifel angebracht, ob auch jeder Wähler die notwendige Vorbildung mitbringt, um sie zu verstehen.

Der heutige Blogbeitrag gibt einen Überblick über volkswirtschaftliche Hintergründe.

Infografiken und News

Wenn Sie sich mit den Nachrichten zu der Abstimmung in Griechenland befasst haben, ist Ihnen vielleicht auch die teilweise unfaire Argumentation aufgefallen, die hierbei verwendet wurden (ich verlinke sie hier absichtlich nicht).

Vielleicht ist Ihnen auch aufgefallen, daß kaum jemand diese Aussagen kommentiert hat. Beispiele:

  • Die Befürworter des „Nein“ warben mit einer Infografik, in der gezeigt wurde, wie sehr sich seit der Krise viele ökonomische Parameter in Griechenland verschlechtert haben (Mindestlohn, Anteil der Menschen unter der Armutsgrenze, etc). Damit wollte man zeigen, wie schädlich die Rettungspolitik für die Menschen ist. Nicht weiter erwähnt wurde allerdings, das es den Menschen noch viel schlechter gegangen wäre, wenn die europäischen Partnerländer nicht mit diesen großen Summen geholfen hätten.
  • Der zurückgetretene Finanzminister warf den Geldgebern vor, „die Banken geschlossen zu haben“ oder „Die Gelder hätten ja gar nicht Griechenland gerettet, sondern die Banken“, oder die „Geldgeber zeigten keine Solidarität, da sie Sparauflagen formulieren, und keinem Schuldenschnitt zustimmen“ (Griechenland hat bereits 150 MrD Euro Schuldenschnitt erhalten – diese Schulden wurden bereits von anderen bezahlt).
  • Vor der Abstimmung traten einige US Ökonomen auf, die eindeutige Wahlempfehlungen abgaben, ohne hierbei auch nur im Ansatz zu erwähnen, daß der volkswirtschaftliche Aufbau Europas nicht vergleichbar ist mit den USA. Ein Unterschied ist alleine schon, daß es sich nicht um einen Staat handelt, sondern um eine Gemeinschaft von einzelnen Staaten.

Austerität

Für die Misere ich Griechenland wird die „Sparpolitik“ verantwortlich gemacht, und dabei wird in der Argumentation so getan, als wäre sparen schlecht (bzw „Deficit Spending“ gut).

Gleichzeitig wird impliziert, Deutschland trägt an dieser Misere die Schuld, und das eigene Land wäre lediglich der Leidtragende.

Nur, was ist „Austerität“ überhaupt, und ist eine solche Haltung sinnvoll?

Politikansatz

In dem (sehr guten) Blicklog-Blog, beschreibt Dirk Elsner bereits 2012 in seinem Artikel „Blogparade zur Austeritätspolitik (I): Was ist Austerität?„(Link, siehe am Artikelende) zutreffend, daß es mindestens zwei sehr unterschiedliche ökonomische Denkschulen gibt:

„Zwei “Paradigmen” stehen sich gegenüber, die sich extrem verkürzt mit folgenden Schlagworten zusammen gefasst werden:

  1. mit Konjunkturprogrammen und expansiver Geldpolitik der Zentralbanken das Wirtschaftswachstum stimulieren (Krugman);

  2. mit Austerität, also mit konsequentem Sparen zur Reduktion der Staatsdefizite (Bundesbank, Bundesregierung)“

Dabei haben die Denkunterschiede zwischen den USA und Europa lange historische Wurzeln (Stichwort „Österreichische Schule versus Chicago School„).

Wenn man jedoch in die Details schaut, lassen sich diese Modelle ineinander überführen, d.h. unterscheiden sich nicht so grundsätzlich, wie in der Diskussion immer getan wird.

Dies zeigen auch die in dem Artikel verlinkten Artikel.

Ziele

Weiter schreibt Dirk Elsner, daß es bei der Sparpolitik eigentlich um die folgenden Bereiche geht:

„Aus dem Papier wird deutlich, dass Sparen allein eine sehr verkürzte Darstellung ist, denn im Prinzip geht es um ausgeglichene Staatshaushalte durch

  1. Erhöhung staatlicher Einnahmen,

  2. Reduktion staatlicher Ausgaben,

  3. (Re-)Stimmulierung der ökonomischen Aktivitäten durch verschiedene wirtschaftspolitische Maßnahmen. Darunter werden meist Deregulierungs- und Privatisierungsmaßnahmen verstanden,

  4. Wiederherstellung des “Vertrauens” der “Finanzmärkte” für die Defizitfinanzierung.“

Letztendlich ist jeder Staat auf Einnahmen angewiesen, und stellt seinen Bürgern hierfür Leistungen zur Verfügung. Dabei finanzieren sich Staaten anders als Privatleute auch über den Finanzmarkt.

Wichtige Voraussetzungen für einen funktionierenden Staat sind neben Einnahmen, die im Verhältnis stehen zu den Ausgaben, funktionierende staatliche Organe, und das Vertrauen von Geldgebern.

An genau diesen Punkten setzt die „Sparpolitik“ an.

Banken retten und schliessen

In der Argumentation wird behauptet, Griechenland hätte Schulden, weil damit Banken gerettet wurden, und die „Geldgeber hätten die Banken geschlossen“.

Das Vertrauen der Kapitalgeber ist essentiell wichtig für jeden Schuldner und auch für jede Währungsunion. Speziell dieses Vertrauen hängt von zwei Faktoren ab:

  • Geht der Kapitalmarkt davon aus, daß die Schulden zurückgezahlt werden.
  • Erweckt die Regierung den Eindruck, als hätte sie Vertrauen verdient.

Wer die Nachrichtenlage verfolgt, kann nicht übersehen, daß beides bei Griechenland definitiv nicht mehr gegeben ist.

Eine moderne Volkswirtschaft kommt jedoch nicht ohne Geld aus. Fehlt dieses, bleibt nichts anderes übrig, als die Banken zu schliessen, und Kapitalverkehrskontrollen einzuführen und dafür sind Griechenlands Politiker verantwortlich.

Zahlen

Schaut man sich vor diesem Hintergrund die eurostat Statistiken des Euroraumes näher an, fällt auf, daß es mehrere Länder mit Schuldenproblemen gibt, die sich jedoch wesentlich besser entwickelt haben, als Griechenland. Das liegt u.a. daran, daß viele dieser Länder (z.B. Portugal, Irland oder Spanien) ihr Land reformiert haben.

Auch fällt auf, daß viele Länder, die Griechenland unterstützen teilweise viel geringere Löhne haben, oder in einer wesentlich schlechteren Position stecken, d.h die erwähnten Infografiken dort sicher nicht gut ankommen.

Die meisten dieser Länder sind nach einer Anpassung wieder auf dem Wachstumspfad, während Griechenland weiter hinterher hinkt. Seit Jahren zeigen dort die Zahlen ein viel geringeres Fortkommen.

Diese Zahlen zeigen sehr deutlich:

  • Griechenland muss sich reformieren, ob man nun will oder nicht, schlicht, weil die ökonomischen Parameter dieses Staates auch für eine so große Gemeinschaft untragbar sind.
  • Wirtschaftliche Reformen sind oft schmerzhaft, aber sorgen eben auch für eine Verbesserung, und manchmal kommt man nicht daran vorbei.

Der Artikel „Unvermeidbare Anpassung“ des Institut der deutschen Wirtschaft sagt dies generell ganz deutlich:

„Doch all dies kann ebenso wie die Begleitung durch die Geldpolitik im Rahmen ihres Mandats nur gelingen, wenn die Krisenländer selbst den mühevollen Weg nicht scheuen. Man kann es drehen und wenden, wie man will, daran ändert sich nichts.“

Linke Lösungen

Die beiden Artikel „Varoufakis und Piketty ‒ die linke Lösung für Europa“ bzw „Griechenland ist das lauteste, aber nicht das größte Problem der Eurozone“ beleuchten das Problem von einer ganz anderen Seite, und genau dies schwingt ja auch in den Reden der Referendumsbefürworter mit.

Letztendlich geht es nicht um Griechenland, sondern darum, linke Politiken und linkes Denken durchzusetzen. Das Denken hat allerdings diesen Kontinent schon einmal in eine Sackgasse geführt.

Ich empfehle beide Artikel als weiterführende Lektüre.

Weiterführende Informationen

Das Original dieses Artikels ist auf Der Produktmanager erschienen (©Andreas Rudolph). Folgeartikel zum Thema gibt es über die (→Mailingliste), oder indem Sie →mir auf Twitter folgen.

In der Online Version des Artikels finden Sie hier die versprochenen weiterführenden Links:

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