Derzeit wird viel Kritik an einer der wohl wichtigsten Theorien geäußert, die es zum Thema „Innovationsstrategie“ gibt.
Der Begriff der „disruptiven (unterbrechenden) Innovation“ wurde bekanntermaßen von Clayton Christensen geprägt, und war auch hier bereits Thema.
Nun ist die Theorie ein wenig in die Schusslinie geraten, und wird derzeit selbst von großen Namen der Ökonomie kritisiert.
Wie immer finden Sie alle weiterführenden Artikel am Ende meines Beitrags, und so auch die erwähnten älteren Beiträge, die diese Wettbewerbstheorie behandeln.
Clayton Christensen hat den Begriff in seinem Buch „The Innovator’s Dilemma“ geprägt, und hat anschliessend weitere Bücher und Studien zum Thema veröffentlicht.
In einem der älteren Artikel hier im Blog (siehe weiter unten), wird der Ansatz näher erklärt. Im Grunde genommen geht es aber darum, daß viele Marktführer ihre Position verlieren, weil neue Technologien aufkommen, und man diese erst zu spät richtig ernst nimmt.
Ein wichtiges Merkmal der Theorie ist hierbei, daß die neuen Technologien so beschaffen sind, daß sie neue Kunden anspricht, denen die bisherigen Produkte zu teuer waren, die aber einfache Lösungen suchen.
Ein weiteres Merkmal ist, daß die Produkte initial relativ teurer sind (verglichen mit dem, was sie leisten) und weniger können als die bisherigen Produkte des Marktführers, was dazu führt, daß die üblichen Arbeitsmethoden („Kundenwünsche implementieren“) den Marktführer auf den falschen Pfad festlegen. Am Ende kann die lehrbuchgerechte Vorgehensweise den Marktführer sogar aus dem Markt werfen.
Wie das Manager Magazin in seinem Artikel „Angriff auf das wichtigste Management-Mantra des 21. Jahrhunderts“ sagt, hat eine Harvard-Historikerin einen Streit los getreten, der drauf hinausläuft, das sie Christensen’s Theorie für nicht belegbar hält:
„Christensens Quellen sind oft zweifelhaft und seine Logik ist fragwürdig“, schreibt Jill Lepore. Seine Forschung erfülle kein Kriterium guter wissenschaftlicher Praxis. „Es handelt sich um eine Geschichtstheorie, die auf einer tiefgehenden Angst vor dem finanziellen Kollaps, einer apokalyptischen Furcht vor weltweiter Verwüstung und auf klapprigen Beweisen fußt“, so Lepore. Kurz: Schrott.“
In seinem Artikel „Creative Destruction Yada Yada“ stimmt Paul Krugman in den Tenor ein, und sagt, daß in historischer Sicht gerade die Firmen, die inkrementelle Innovationen hervorgebracht haben das Geld verdient haben.
Als Beispiel hierfür nennt er das Innovationsmodell Deutschlands.
„What’s the most remarkable export success story out there? Surely it’s Germany, which manages to be an export powerhouse despite very high labor costs. How do the Germans do it? Not by constantly coming out with revolutionary new products, but by producing very high quality goods for which people are willing to pay premium prices.“
In dem Video „Clay Christensen on the recent debate surrounding his theory of disruptive innovation“ nimmt Christensen Stellung zu den Vorwürfen, und hält seiner Kritikerin vor, nur Teile der Literatur überhaupt gelesen zu haben:
http://youtu.be/9ouwUs4QmFQ
Ich kann die eigentliche Debatte nicht beurteilen, habe jedoch schon an vielen Beispielen in der Praxis gesehen, daß es Technologien gibt, die zu besonders großen Veränderungen führen, d.h einen Zusammenhang a la Christensen halte ich für real, und verstehe die späte Kritik daran nicht ganz.
Eindeutig ist das Wort „Innovation“ zu einem Buzzword geworden, allerdings war das Thema schon immer wichtig (Krugman redet davon, daß es bereits in den 1970igern ganz oben auf der Liste der wichtigen Worte stand).
Hier in Deutschland gab es trotzdem lange Zeit entgegen dem Trend eher eine latente Innovationsfeindlichkeit gegenüber neuen Entwicklungen, und es gab den Begriff der „Servicewüste„, der einen solchen Zustand im Bereich der Services beschreibt.
Neuerdings kann man gut beobachten, wie sich diese konservative Haltung nun langsam auflöst, und eine breite Innovationsfreude einsetzt. Für mich bedeutet dies: Selbst wenn es einen übertreibenden Trend rund um das Thema „Innovation“ gibt, er scheint langsam etwas zu bewegen.
Anders als Krugman denke ich , daß der Begriff der „disruptive Innovation“ ja nicht bedeutet, daß man permanent neue Produkte auf den Markt wirft, und sich von der inkrementellen Innovation abwendet.
Vielmehr geht es bei dem Begriff um besondere Arten von Innovationen. Schlussendlich besteht das normale Geschäft nach wie vor aus der Abrundung bestehender Produkte, d.h eigentlich existieren beide Arten der Innovation nebeneinander – auch in der deutschen Wettbewerbsstrategie.
Für mich gibt dieser Innovationsbegriff eher einen Anreiz dazu, die neuen Technologien permanent zu beobachten – in dem Wissen dass darunter auch solche sein können, die den eigenen Markt gefährden, wenn man falsch auf sie reagiert.
Viele Industrien folgen einer langwelligen Entwicklung, der unter dem Begriff des „Kondratjew-Zyklus“ bekannt geworden ist. D.h es gibt eindeutig stabile Perioden, in denen Produktverbesserungen gefragt sind. Viele Unternehmen wachsen deshalb ja auch über lange Jahre gut mit „inkrementeller Innovation„, und dies muß ja -zu seiner Zeit-nicht schlecht sein.
Allerdings kann man auch beobachten, daß manche Firmen von neuen Trends überrollt werden. D.h ganz abwegig ist die Idee nicht, daß es auch Phasen ergeben, in denen es zu Umbrüchen kommt.
Der Christensen’sche Begriff gibt einem -so denke ich- das Handwerkszeug an die Hand, um hiermit umzugehen.
Das Original dieses Artikels ist auf →Der Produktmanager erschienen (©Andreas Rudolph). Folgeartikel zum Thema gibt es über die (→Mailingliste), oder indem Sie →mir auf Twitter folgen. In der Online Version des Artikels finden Sie hier die versprochenen weiterführenden Links: