Digitalisierung der Arbeitswelt – Implikationen

Kürzlich ist im McKinsey Quarterly eine längere Beschreibung der Änderungen erschienen, welche die fortschreitende Digitalisierung in vielen Bereichen mit sich bringt. Neben den Änderungen des Marktumfelds behandelt der Autor auch die strategischen Optionen, damit umzugehen – was den Beitrag für mich besonders wertvoll macht.

Der Titel der Studie lautet “Strategic principles for competing in the digital age”, und sie finden die Referenz am Ende meines Beitrages (und ergänzende Lesetipps).

Strategic principles for competing in the digital age

Der Autor beschreibt in seinem Artikel die altbekannten Dynamiken, die derzeit durch viele neue Technologien entstehen.

Irgendwann entstehen demnach neue Trends, und sehr innovative Firmen setzen diese Trends als erstes in neue Geschäftsmodelle um. Später, im Laufe der weiteren Entwicklung des Marktgeschehens, folgen dann die Kunden nach und nach in die neue Technologie, bis am Ende die neue Technologie normal geworden ist, und die Vertreter der alten Technologie aus dem Markt ausgetreten sind.

Er zeigt mehrere Beispiele von Industrien und Firmen, die sich diesen Herausforderungen gegenübersehen, und die sich so neuen Möglichkeiten aber auch Gefahren ausgesetzt sehen.

Marktkräfte

Dabei sind nach seiner Auffassung (siehe dort im Detail) die folgenden sieben Marktkräfte durch die Digitalisierung am Werk:

  • Es entsteht ein Druck auf die Spannen und die Preise.
  • Neue Wettbewerber können aus vollkommen unerwarteten Richtungen entstehen.
  • Es entsteht eine Dynamik a la „Der Gewinner erobert den ganzen Markt“.
  • Portale erlauben Plug-and-play Geschäftsmodelle und geben daher den kleinen Unternehmen eine große Reichweite.
  • Mitarbeitertalente und Know How in den angestammten Bereichen werden entwertet. Statt dessen sind teilweise neue Fähigkeiten notwendig, die nicht jede Firma hat.
  • Angebot und Nachfrage rücken global zusammen, u.a. weil Kunden global ähnliche Prozesse erwarten.
  • Es entstehen immer schneller, immer mehr neue Geschäftsmodelle, d.h die Dynamik wächst.

Strategie

Er denkt, daß sich durch diese Änderungen die folgenden 6 Entscheidungsfelder auftun (siehe dort im Detail):

  • Sollen Geschäftsbereiche diversifiziert werden, oder abgestoßen?
  • Soll man den Kunden folgen, oder soll man selbst den neuen Trend anführen?
  • Neue Angreifer: Kooperieren oder Attackieren?
  • Wie neue Ideen managen, und zwar so, daß sie entstehen können, aber auch eingestampft werden, wenn sie nicht interessant genug sind?
  • Digitales Geschäft in die nicht-digitalen Unternehmensbereiche integrieren, oder beide Bereiche separieren?
  • Wer sollte sich um die digitale Agenda kümmern?

Implikationen (für mich)

Die Umwälzung ist real

Viele dieser Entwicklungen haben sich bis heute schon in vielen Industrien gezeigt (z.B. Musik oder Film). Auch ist bereits in weiteren Industrien eine ähnliche Umwälzung zu erahnen. Insofern sind die beschriebenen Marktkräfte für mich durchaus real. Hier nur ein paar Beispiele, warum dies für mich der Fall ist:

  • Beispielsweise stehen in der Zwischenzeit Geräte zur Verfügung, mit denen Menschen ganz anders arbeiten können, als dies in der Vergangenheit möglich war (z.B. Tabletts). So werden mehr und mehr „kurze Wege“ zwischen Hersteller und Verbraucher möglich (und „Mittler“ ausgeschaltet).
  • Oder es entwickeln derzeit Hersteller schnelle Datenbanken mit denen ganz andere Berechnungen möglich sind, als noch vor vielen Jahren – hierdurch werden einfache Tätigkeiten zunehmend obsolet, aber auch hochqualifizierte Tätigkeiten signifikant vereinfacht, wenn nicht ersetzt.

Auch ist der beschriebene Schwenk gut zu sehen, der sich z.B. bei der Globalisierung zeigt oder bei den Portalen, die ganz neue Geschäftsmodelle ermöglichen – auch für Gründer ohne viel Geld. Heute kann man z.B. global einkaufen, und die Anwendungen inklusive Abwicklung sind sehr ähnlich geworden. Jedermann kann heute einen Shop eröffnen, und ihn global hosten lassen.

Solche Umwälzungen betreffen inzwischen sogar den produzierenden Bereich, und nicht mehr nur das reine Digitalgeschäft – und die Entwicklung nimmt daher immer mehr Raum ein.

Beispielsweise verfolge ich das neue Thema „Maker Movement“, das schon seit einiger Zeit rund um die Kleincomputer „Arduino“ oder „Rasperry Pi“ entsteht. Dort werden inzwischen Geräte von Leuten entwickelt, die noch vor wenigen Jahren überhaupt nicht die technisch/ finanziellen Möglichkeiten gehabt hätten.

Statt ihr Know How für sich zu behalten, teilen sie es freimütig, was darauf hindeutet, daß sich auch die Geschäftsregeln ändern. Inzwischen entwickeln sich sogar richtige Stars mit entsprechenden Wachstumschancen, d.h das Modell scheint zu funktionieren.

Wie Reagieren?

Die einzelnen Reaktionsmöglichkeiten, die der Artikel nennt, zielen auf die strategische Ebene ab. Hierbei handelt es sich also eher um Entscheidungen, die wir gewöhnlichen Mitarbeiter nur indirekt beeinflussen.

Auf unserer Ebene ergeben sich vermutlich andere Rückschlüsse – wie z.B:

  • So muß man wohl heutzutage davon ausgehen, daß der gesamte „Rollin-Bereich“ an Bedeutung gewinnt. Statt aber, wie früher, gelegentlich und nur mit den guten Kunden zu sprechen, sollten Mitarbeiter im Produktmanagement heute auch das größere technologische Umfeld im Auge behalten. Beispielsweise ist die erwähnte Maker-Bewegung („Hardware erstellen“) zunehmend auch relevant für neue Softwareanwendungen, oder stellen Hersteller von Spielkonsolen Bedienungskonzepte vor, die auch für zukünftige Software bedeutsam werden kann (Microsoft Kinect).
  • Während man gestern noch in der Richtung des angestammten Produktes arbeiten konnte, wird es heute zunehmend wichtig, auch einmal neue Ideen auszutesten. Daher sollte man sich fragen, wie es um das kreative Umfeld bestellt ist, und ob man genug Zeit für Innovationen reserviert.
  • Die Gefahr, daß die technischen Änderungen das Know How entwerten, betrifft die Firma insgesamt, aber ist eben auch für jeden Mitarbeiter relevant. Daher bekommt die Forderung nach dem lebenslangen Lernen eine neue Wichtigkeit.
  • Wenn das Umfeld dynamischer wird, stellt sich die Frage, wie man hiermit umgeht. Eine Möglichkeit wäre, das Produkt auf eine höhere Ebene zu heben. So wird ein Hersteller von Einzelteilen eher der Dynamik ausgesetzt sein, wie jemand, der sich um die Integration kümmert. Im Umkehrschluss bedeutet dies, daß man ggf die Schwerpunkte der eigenen Arbeit anders setzen sollte, als man dies heute noch tut.

Sicherlich fallen Ihnen noch viele weitere Strategien ein, wie Sie auf der Grundlage des Artikels das Produktmanagement bei sich im Unternehmen weiterentwickeln können.

Weiterführende Informationen

Das Original dieses Artikels ist auf Der Produktmanager erschienen (©Andreas Rudolph). Folgeartikel zum Thema gibt es über die (→Mailingliste), oder indem Sie →mir auf Twitter folgen.

In der Online Version des Artikels finden Sie hier die versprochenen weiterführenden Links:

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