Wie jedes Jahr um diese Zeit schließen viele Jugendliche ihre Schulausbildung mit Abitur ab, und stehen vor der Berufswahl.
Auch über meinen Berufsverband erreichen mich Fragen rund um die Ausbildung zum Diplom Wirtschaftsingenieur (WI, WIng oder WirtschIng). Manche Jugendliche denken auch über Alternativen, wie Physik oder BWL nach.
Heute will ich Euch jungen Leuten mit ein paar Hinweise zum Ausbildungsgang des WI weiterhelfen, und hierbei die Studiengänge Physik und BWL kurz streifen.
Als Ausbildungsgang kombiniert das Wirtschaftsingenieurwesen technische Fächer mit Themen aus der Betriebswirtschaftslehre. Viele Leute fragen sich, warum man eigentlich diesen Studiengang benötigt, da er doch weder das eine, noch das andere Fachgebiet vollständig zu lehren scheint.
Der Grund ist ganz einfach: In der Arbeitswelt spielen sich viele Fragestellungen genau in der Schnittstelle zwischen Technik und Wirtschaft ab.
Ich habe zum Beispiel neulich eine Fortbildung besucht, in der es um die Trends in der Informatik ging (Konkret: Das technische Design von Rechnerprozessoren).
Der Referent hat gezeigt, daß die Chips von Computern in Zukunft mehr und mehr aus Netzwerken von kleinen Rechnereinheiten bestehen werden, die jede für sich genommen relativ einfach ist. Vorher ist man einen anderen Weg gegangen, und hat versucht, immer leistungsfähigere Prozessoren mit höheren Taktfrequenzen zu bauen.
Die Entwicklung hin zu Multicore-Prozessoren hat vor einigen Jahren eingesetzt, und ist darauf zurückzuführen, daß die Ingenieure damit beginnen mußten, „betriebswirtschaftliche“ Sachverhalte auf das technische Prozessordesign anzuwenden.
Dies war nötig, weil der bisherige Weg an die Grenzen stieß (Konkret das Gesetz des abnehmenden Grenzertrages, auf das man bei einer Steigerung der Taktfrequenz beim Chipdesign automatisch stößt).
Dieses kleine Beispiel zeigt, daß sich die Konzeptionsentscheidungen einer technischen Sache oft aus einem Denken ergibt, welches man als reiner Ingenieur gar nicht kennenlernt (oder umgekehrt, in Bezug auf die BWL).
Der Wirtschaftsingenieur erlernt genau diese Schnittstelle. Seine Fähigkeit, im Grenzbereich zwischen Technik und Betriebswirtschaft zu denken, macht seinen eigentlichen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Fächern aus.
Für mich persönlich war dies früher der wohl entscheidende Grund für meine eigene Studienwahl.
Da sich das Denken in den technischen Fachgebieten von dem Denken in der Betriebswirtschaft stark unterscheidet übt man quasi seine gesamte Studienzeit über einen permanenten Perspektivenwechsel ein.
Dies macht das Studium interessant. Auf der anderen Seite ist es natürlich auch anstrengend.
Darüberhinaus sprechen auch praktische Argumente für diesen Studiengang: Der Wirtschaftsingenieur findet ein breites Betätigungsfeld, ist gut vermittelbar, und hat die Möglichkeit, gutbezahlte Stellen zu finden.
Die eigene Erfahrung zeigt (vereinfachend): Technik und Naturwissenschaften sind wie Mathematik. Entweder kommt nach vielem logischen Denken am Ende ein richtiges Ergebnis raus oder eben nicht. Bezogen auf das Studium ist dieser Teil zudem der anspruchsvolle Teil – was das Lernen angeht.
Die Betriebswirtschaft ist eher ein Gebiet, in dem man mit Einschätzungen und praktischem Bauchgefühl viel erklären kann.
Ich halte die naturwissenschaftliche Begabung für kritisch, um das Studium bestehen zu können. Demgegenüber kann man die BWL viel einfacher „lernen“.
Entweder bringt man naturwissenschaftliche Begabung mit oder man wird die fehlende Begabung nur mit viel Einsatz kompensieren können. Daher rate ich jedem angehenden Studenten, sich selbstkritisch zu prüfen ob ihm Technik und Naturwissenschaften liegen.
Eine weitere Erfahrung ist: das Studium ist sehr anspruchsvoll, wie andere naturwissenschaftliche Studienfächer auch, und es wird sicher nicht immer einfach werden. Das Ganze wird erschwert durch den permanenten Perspektivenwechsel, den ich oben erwähnt habe. Daher sollte man eine gewisse Arbeitsdisziplin mitbringen.
Ansonsten stellen ja auch die Unis oder Bedingungen.
Die übliche Frage nach den späteren Erfolgsaussichten, Aufstiegsmöglichkeiten und Arbeitsgebieten halte ich eher für zweitrangig. Wie die BWL oder auch Physik führt der Studiengang zu einer guten Ausbildung, mit der man sehr viel anstellen kann, und die (vielleicht bei der Physik mit Einschränkungen), so breit angelegt ist, dass man später immer etwas finden wird.
Im Prinzip solltet Ihr erst einmal den Dialog mit Leuten suchen, die in Berufen arbeiten, die Euch interessieren. Letztendlich kann man nur so für sich selbst herausfinden, wie das spätere Berufsleben aussehen wird, und ob einem dies liegt.
Heutzutage sind zum Beispiel Blogs recht gut geeignet, um sich zu informieren, oder man kann auch ein Praktikum absolvieren, beziehungsweise Firmen und Beratungsstellen aufsuchen.
Der Verband der Deutschen Wirtschaftingenieure ist die Dachorganisation des Berufsstandes. Dieser Verband ist zu einer Zeit gegründet worden, als das Studienfach selbst noch ganz neu und ganz klein war. Dieser Verband kennt sich also aus.
Am Ende des Artikels findet Links auf die Homepage dieses Verbandes, und die verschiedenen Informationsangebote. Bereits ich habe vor vielen Jahren die Broschüre „Das Berufsbild des Wirtschaftsingenieurs“ (Berufsbild: Helmut Baumgarten/Burkhard Schmager: Wirtschaftsingenieurwesen in Ausbildung und Praxis, Verband Deutscher Wirtschaftsingenieure e.V. (VWI), ISBN 978-3-7983-2324-7) für meine eigene Entscheidung genutzt. Diese Broschüre wird immer noch regelmäßig überarbeitet, und ich würde sie mir als Erstes besorgen.
Auf der Homepage gibt es ein agiles Forum für Fragen und es gibt inzwischen eine Menge von Zeitungsartikeln oder Berichten in der Presse, die alle möglichen Fragen beleuchten. Diese Informationen solltet Ihr Euch einmal durchsehen.
Eine weitere Möglichkeit bieten die Regionalgruppen. Beispielsweise könntet Ihr Kontakt aufnehmen zu Studenten des Studiengangs, und dort Eure konkreten Fragen stellen. Die Namen findet ihr auch über die Homepage.
Viele technische Berufe sind nach wie vor sehr männerlastig. Das liegt unter anderem wohl daran, daß sich viele Mädchen nicht für technische Berufe erwärmen mögen.
Weder die Technik, noch die Naturwissenschaften noch den Wirtschaftsingenieur muss man sich „nerdig“ vorstellen. Auch ist die Auffassung, das es typische „langweilige“ Jungensberufe wären, ist vollkommen verkehrt.
Im Gegenteil, gerade Mädchen bringen sehr viele Fähigkeiten mit, die in den Berufsfeldern gefragt sind, in denen Wirtschaftsingenieure arbeiten. Ein Beispiel ist das Gebiet, in dem es in diesem Blog geht: das Produkt-Management.
Also, egal ob ihr nun Mädchen oder Junge seid: wenn ihr euch für das Gebiet interessiert und ihr die Voraussetzungen habt, informiert Euch und studiert anschließend, was Euch inhaltlich liegt.
Über den Studiengang, die Berufe und so weiter kann man sehr viel mehr sagen, als dies hier in einem kurzen Artikel möglich ist. Schaut euch die Linkvorschläge unten genauer an und fangt an, Euch durchzuhangeln. Oder: fragt.
Denk immer daran, dass das Allerwichtigste ist das ihr euch einen Beruf aussucht, der Euch viele Jahre Spaß macht und der so breit angelegt ist, daß er Euch später ermöglicht, auch mal in Themen zu arbeiten, die Ihr heute noch nicht einmal kennt.
Das Original dieses Artikels ist auf →Der Produktmanager erschienen (©Andreas Rudolph). Regelmäßige Artikel gibt es über die (→Mailingliste), oder indem Sie →mir auf Twitter folgen. In der Online Version finden Sie hier die versprochenen weiterführenden Links: