Wirtschaftspolitische Weichenstellungen und Innovationen

Inzwischen ist die Globalisierungswelle (zumindest in meiner persönlichen Wahrnehmung) etwas abgeebbt. Trotzdem habe ich aufgehorcht, als neulich ein Artikel erschienen ist, der den Bankrott von Kodak zum Thema hatte, und dabei einige Fehlentwicklungen aus der Globalisierungswelle behandelt hat, die mich schon immer gestört haben.

Viele Länder, ganz besonders jedoch das Vereinigte Königreich und die USA haben in den vergangenen Jahren Ihre Volkswirtschaften auf Unternehmen des dritten Sektors (Dienstleistung) umgebaut. Sie haben hierbei aktiv die Produktion abgegeben in die neuen aufstrebenden Länder, wie zum Beispiel China, und haben versucht, mit Finanzgeschäften reich zu werden. Die deutschen Unternehmen haben diesen Trend mitgemacht, jedoch nicht im gleichen Umfang.

Der Artikel, um den es heute geht, ist deshalb so bemerkenswert, weil er auf die Folgen eingeht, die diese Entwicklung für die USA hat. Er zeigt zudem, daß innovative Produkte mehr benötigen, als Kundennähe. Vielmehr benötigt man auch die Möglichkeit, sich mit der Herstellung dieser Produkte befassen zu können, um nicht den Anschluss zu verlieren.

Kodak: A Parable of American Competitiveness

Dina Gerdeman beschreibt in ihre Artikel einige interessante Gedanken zu den Rückwirkungen, die die derzeitige Industriestruktur der USA auf die Fähigkeit der USA hat, innovative Produkte zu entwerfen (siehe Weiterführende Informationen am Ende des Artikels).

Kodak hat seinen Wettbewerbsvorteil aktiv abgegeben

Ursprünglich war Kodak ein sehr innovatives Unternehmen. Auch sind viele Technologien, die in der Fotografie interessant sind, in den USA entwickelt worden. Leider haben jedoch frühe Managerriegen dieses Know How aktiv abgegeben („outgesourced“).

Irgendwann haben die USA dann ihre Fähigkeiten verloren die wesentlichsten Komponenten selbst herzustellen:

„Much of the camera technology was invented in the United States, but US companies gave it all up,“ says Shih, an expert on industrial competitiveness who joined the HBS faculty in 2007. „Because of the decisions of managers in the distant past, the United States had lost its capability to make all the critical components that were needed to put together digital cameras.“

Outsourcing hat falsche Grundannahmen

Die US Unternehmen haben das Outsourcing über viele Jahre betrieben, und haben so viel von ihrem Fertigungs-Know-How verloren. Diese Strategie wurde unter der Fehlannahme verfolgt, daß dies einen positiven Einfluss auf die Wettbewerbsstärke der US Unternehmen haben würde.

Der in dem Artikel interviewte Professor sagt jedoch sehr deutlich, daß dies eine desaströse Fehleinschätzung war und ist:

Outsourcing manufacturing operations has been occurring for decades, based on the assumption that moving grunt work overseas wouldn’t affect US companies‘ competitive edge in the global marketplace.

But this assumption is wrong, and the fallout has been disastrous, Shih says.

Der Grund für die Bedeutung einer eigenen Fertigungserfahrung ist einfach; viele Ideen zu innovativen Produkten kommen erst dadurch zustande, daß einem Verbesserungsmöglichkeiten auffallen, während man Produkte herstellt:

In reality, developing and executing a manufacturing process often sparks ideas that lead to creation of innovative new products, Shih explains. So when American companies allow the production of high-tech products like televisions and memory chips to disappear from the local landscape, they also inadvertently risk losing expertise to produce the next generation of cutting-edge products like high-end servers and electronic paper displays for e-readers.

Ingenieurleistungen wandern ebenfalls ab

Über lange Zeit hat man geglaubt, daß es möglich ist, die „geringwertigen“ Produktionsaufgaben nach China outzusourcen, während man die eigentlich wertschöpfenden Tätigkeiten im eigenen Land behalten kann.

Diese Einschätzung war ebenfalls falsch. Inzwischen wandert nicht nur das Fertigungsknow How ab, sondern eben auch wandern die Fähigkeiten ab, die man benötigt, um komplexe Produkte zu entwerfen.

Dies kann man sehr deutlich an der Softwareindustrie sehen, die anfangs nur einfache Codingtätigkeiten nach Asien transferiert hat, und inzwischen auch Know How lastige Arbeiten dort ausführen läßt:

As low-paying production jobs have disappeared from the United States, so too have more sophisticated, higher-paying design positions. Nearly all notebook computers, cell phones, and other handheld devices are now designed in Asia. The domestic software industry, which initially outsourced only simple code-writing projects to Indian firms, has more recently signed on with outside companies for more complex work, like designing architectural specifications.

Speziell die Know How lastigen Themen sind jedoch relevant für die Fähigkeit, Innovationen entwickeln zu können. So wird das Outsourcen zunehmend zu einem Problem für die Wirtschaft insgesamt:

Letting go of the design work is dangerous, Shih says, because it could block American companies‘ chances of designing the newest high-tech products and learning from those experiences. „Companies will certainly limit their ability to innovate,“ he adds.

Fazit

Das alte Paradigma der Globalisierung kommt zunehmend in Verruf. Demnach wird das Outsourcing von Produktionen nicht länger als ein sinnvoller Beitrag für die Wettbewerbsfähigkeit der westlichen Firmen gesehen, sondern, es wird (endlich) als Problem wahrgenommen.

Wie kann und sollte man diese neue Erkenntnis im Produktmanagement, und in den Unternehmen umsetzen? Hier einige Ideen:

  • Ein wesentlicher Grund für das Outsourcing waren die Lohnvorteile der Billigländer. Hierbei haben sich zwar viele Unternehmen schlicht verrechnet (sie haben oft die Kosten der Globalisierung viel zu niedrig angesetzt). Letztendlich steckt auch ein wahrer Kern dahinter. Um die Kostendiskussion in Zukunft zu vermeiden, sollte eigentlich jeder Mitarbeiter darauf achten, daß die Aufgaben möglichst effizient durchgeführt werden. Dies kann einmal durch die Entwicklungsmodelle geschehen (Agile Softwarentwicklung), aber auch dadurch, daß man aktiv daran arbeitet, Ineffizienzen zu vermeiden. Dem Produktmanagement kommt hierbei eine besondere Rolle zu – schliesslich werden hier die Produktmerkmale festgelegt, die später einen großen Einfluss auf die Kosten haben.
  • Weder in seiner eigenen beruflichen Entwicklung, noch im innerbetrieblichen Zusammenhang sollte man sich scheuen, dazuzulernen. Man sollte zudem auch alles Mögliche unternehmen, um nicht vom Lernen abgekoppelt zu werden. Letztendlich zeigt der Artikel, daß Innovation langfristig nur dann zustande kommt, wenn man das Know How auf dem neuesten Stand hält.
  • Innovationen entstehen aus Ideen, und der Fähigkeit, diese Ideen umzusetzen. Beides wird bestimmt durch weitere Faktoren, die außerhalb der Unternehmen liegen, wie zum Beispiel der Wirtschaftsstruktur. Dies zeigt deutlich, daß der Zustand des eigenen Landes eben nicht ohne Einfluss ist. Man sollte daher auch dafür sorgen, daß man das eigene berufliche Umfeld weiterentwickelt.
  • Viele Entscheidungen zu strategischen Themen werden in einem Zustand des Hypes getroffen. Was die Globalisierung angeht, war „man“ allgemein der Auffassung, daß das Outsourcen sinnvoll sei. Am Ende hat es jeder gemacht, mit der Folge, daß Know How im großen Stil abgegeben wurde. Bis uns heute auffällt, daß diese Entwicklung in dem Extrem nicht sinnvoll ist. Die Frage, die sich hieraus ergibt ist: Warum sieht man bestimmte Entwicklungen nicht viel kritischer, und fragt lieber ein mal zuviel?
  • Ein Produktmanagement in Deutschland wird zweifellos nicht lange gedeihen können, wenn die Fertigung nach Asien auswandert. Demnach sollten sich die Mitarbeiter frühzeitig fragen, wie sie das Produktmanagement so aufstellen, daß es sowohl den Kontakt zum Kunden hat, als auch den Kontakt zur Entwicklung und Fertigung. Eine Möglichkeit hierfür wäre, daß man die Möglichkeiten des Internet ausnutzt, und sich beruflich vernetzt. Eine andere Möglichkeit ist, daß man frühzeitig an den Wettbewerbsvorteilen der eigenen Abteilung arbeitet.

Die eigentliche Lösung des Problems ist jedoch nicht innerbetrieblich. Vielmehr sollten sich auch die Spitzenvertreter des Landes regelmäßig fragen, wie sie die Wettbewerbskräfte des Landes weiterentwickeln können.

Weiterführende Informationen

… im Internet

Im Internet finden Sie weiterführende Artikel:

… auf www.Produkt-Manager.net

In meinen älteren Artikeln finden Sie weiterführende Informationen zum heutigen Thema:

Kontakt

Das Original dieses Artikels ist auf Der Produktmanager erschienen (©Andreas Rudolph). Regelmäßige Artikel gibt es über die (→Mailingliste), oder indem Sie →mir auf Twitter folgen. In der Online Version finden Sie hier die versprochenen weiterführenden Links:

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