Produktmanager und – innen arbeiten normalerweise ohne formale Macht in einem Unternehmen. Sie müssen so eher ihre Teams überzeugen, als, daß sie ihnen Anweisungen geben können.
In schwierigen Fällen sind Sie hierfür auf eine gute Taktik angewiesen, die selbst eine erfolgsgewöhnte Entwicklungsabteilung versteht.
Gleichfalls nimmt das Produktmanagement per definitione intern die Rolle des Kunden ein. Manchmal ist es daher notwendig, kollegiale Bindungen zu vergessen, und genau diese Rolle auch einzunehmen.
Wenn man bei wichtigen, produktbezogenen Themen und Qualitätsmängeln die notwendigen Auseinandersetzungen in der Sache nicht intern ausführt, kann es nämlich vorkommen, daß externe Produktmanager diese Aufgabe übernehmen.
Heute will ich Ihnen die Geschichte meines iPod Nano erzählen, der aus banalen Gründen ausgefallen ist, und nun das ist, was man einen „wirtschaftlichen Totalschaden“ nennt.
Wie ich finde, taugt seine Geschichte sehr gut, um einige grundsätzliche Dinge über das Produktmanagement zu lernen, und das Thema geplante Obsoleszenz. Daher erzähle ich heute seine traurige Geschichte.
Ich besitze seit ca 1,5 Jahren einen iPod Nano, den ich häufiger auf dem Arbeitsweg verwende. Ursprünglich habe ich ein Premiumprodukt gekauft und hierfür auch sehr viel mehr Geld bezahlt, als ich beim Wettbewerb hätte zahlen müssen. Ich hatte geplant, das Gerät länger benutzen zu können, und dann hätte sich die Investition amortisiert.
Wie ich gelesen habe, ist auch die Gewinnspanne hoch – das sei dem Hersteller aber vergönnt, da es ein gute gemachtes Gerät ist. Mein Geraet ist intakt und gepflegt, daran kann sein derzeit schrottreifer Zustand also nicht liegen – und ich verwende mehrere Apple Produkte/ beeinflusse Kaufentscheidungen, d.h. bin das, was man einen „guten Kunden“ bezeichnen würde.
Daran kann es also auch nicht liegen, sondern vermutlich an Mängeln in der Produktstrategie.
„Geplante Obsoleszenz“ bedeutet, daß Hersteller Geräte so bauen, daß diese möglichst nach der Garantie kaputt gehen, und ersetzt werden müssen. Ursprünglich hat man mit dieser Strategie Anfang des letzten Jahrhunderts begonnen, indem man Glühbirnen nach und nach so verschlechtert hat, daß sie regelmäßig kaputt gingen, und ersetzt werden mussten (die ersten Glühbirnen hatten nämlich ewig-in einer New Yorker Feuerzentrale arbeitet sogar noch eine Lampe, die 100 Jahre alt ist).
In den 50iger/60iger Jahren hatten wir dann das Zeitalter der Ex-und-Hopp Gesellschaft, wo nichts auf Dauer gebaut wurde, sondern Wegwerfen Mode war.
Letztendlich finde ich, daß das was man ‚geplante Obsoleszenz‘ nennt, nicht mehr in die heutige Zeit passt, und versuche, entsprechend zu konsumieren. Und so denken inzwischen viele Verbraucher, wie ein Bericht in der Tagesschau heute nochmal gezeigt hat, der dies zum Thema hatte.
Meinen iPod die geplante Obsoleszenz voll erwischt.
Nun zurück zum Nano. Neulich ist dort nämlich der Ein/Ausschalter ausgefallen. Er ließ sich mechanisch nicht mehr bedienen, ohne Fremdeinwirkung verantwortlich machen zu können. Zuhause angekommen bin ich im Internet schnell fündig geworden.
Auf der einen Seite gibt es sehr gute Websites (siehe Weiterführende Informationen), die erklären, wie man Apple Geräte auseinandernehmen kann (dies ist manchmal ja nicht trivial, da oft Design über Wartungsfreundlichkeit obsiegt). Auf der anderen Seite habe ich auch relativ zügig Hinweise darauf gefunden, daß das Problem, das meine iPod quält, anscheinend häufiger vorkommt (Suche nach „Stuck Buttons“).
Wenn die Beschreibungen im Internet recht haben, hat ein kleines Teil in einem Schalter versagt (siehe insbesondere →iPod Nano 6th Generation Stuck Buttons). Sofern die Foren im Internet ferner Recht haben, liegt dieses Bauteilversagen an einer unpassend gewählten Verklebung bei einem 2mm grossen Abstandsblech, das hinter dem Schalter liegt – und es scheint häufiger vorzukommen.
Um dieses Problem zu beseitigen, muss man das Geraet komplett demontieren, und das Blech am Schalter entnehmen, reinigen, neu verkleben und ausrichten. Hierfür muss man mit einer Heizpistole das Deckglas erwärmen, und abnehmen. danach baut man mit einem Spezialewerkzeug sämtliche Innerereien des iPod aus.
Sie merken schon, wie der Hase läuft: Das Versagen eines winzigen Teiles, das sehr viel weniger als einen Cents kostet, sorgt für das Versagen eines Gerätes, das 140.- kostet, und man kann nicht viel machen.
Ok, dacht ich mir – ein üblicher Fehler, und ein wirklich ganz dummer Qualitätsmangel noch dazu, und setzte mich in Kontakt mit dem Hersteller, um zu erfahren, wie man dort über das Problem denkt.
Ich besitze zwar viele Geräte des Herstellers, habe aber noch nie Support in Anspruch genommen (obwohl tapfer dafür gezahlt über den Gerätepreis), und stellte gleich einmal fest, daß es keine andere Möglichkeit gibt, als eine kostenpflichtige Anfrage zu senden („Supportticket“), um überhaupt meine banale Frage zusammen mit der Problemanalyse adressieren zu dürfen.
Gemacht, getan, habe ich nach mehreren Kontakten die definitive Antwort erhalten, daß man nicht daran denken würde, das Gerät auf Kulanzbasis zu reparieren (wurde auch vom Chef des Supporters so bestätigt – Eskalation hilft also nicht).
Ich solle das Gerät doch einschicken. Die Reparatur würde 100.- kosten. Dies entspricht nahezu dem heutigen Neupreis – die Preise der baugleichen Geräte wurden mit der Folgeversion gesenkt.
Sie merken schon: Der Hersteller wollte mir in freundlichen Worten mitteilen, daß ich mein Gerät doch besser entsorgen solle, da in seinen Augen schrottreif (… und am Besten gleich Ersatz bei ihm bestellen).
Ich denke daß der fragliche Hersteller in diesem Fall an mehreren Stellen eine falsche Policy verfolgt, die auch darauf zurückzuführen sein könnte, daß sich Entwicklung, Service, etc als beratungsresistent erweisen, indem sie ein Problem nicht sehen wollen, das sich Kunden stellt.
Solche Artikel, wie dieser hier (Kunden-O-Ton) und ein geschicktes Produktmanagement, können manchmal dabei helfen, solche unnötige Blockaden aufzuheben, und damit Produktnutzen stiften, der „beyond feature“ geht.
Meiner Erfahrung nach bringt es speziell bei Qualitätsmängeln und einer bockigen Entwicklung/ Support am meisten, wenn man sich der Kundensituation stellt, ohne zu beschönigen. Am meisten bringt es, wenn man dabei den relevanten Stellen entweder Kunden-O-Ton vorspielt, oder wenn man einen Zusammenhang nüchtern analysiert – und das Ergebnis vorführt.
Mein Gerät ist schrottreif, da ein kleines Teil in einem Schalter versagt hat. Jeder Ingenieur im ersten Semester beurteilt solche Typen von Bauteilversagen als eindeutig negativ, d.h hält dies für eine sehr schlechte Qualität.
Nur um eimal einen Vergleich zu machen – würden Sie akzeptieren, daß Ihr Auto schrottreif ist, nur weil es einen platten Reifen hat, und gibt es daher einen vernünftigen Grund, der dafür spricht das Auto so zu bauen, daß dies der Fall ist?
Fixiert auf die falschen Ziele, kann es vorkommen, daß ein Hersteller gute Kunden verliert, ohne es zu merken. Das Gerät um das es geht ist nicht sonderlich teuer. Der Gerätepark, für den ich oder ein Kunde generell Einkaufsentscheidungen treffe, jedoch schon.
Um dies zu sehen, sollte der Support wissen, mit welchem Kunden er es zu tun hat, und er solle den Spielraum haben, auch dann zu reagieren, wenn der margenorientierte Kaufmann die Aufgabenstellung missversteht, und falsche Policies vorgibt – z.B. „keine Kulanz – neu kaufen“.
Für Fälle wie den geschilderten ist es schwer verständlich, wenn man hier dem Kunden bereits dann Geld abknöpft, wenn er nur eine Frage stellen will.
Daher sollte man sich einmal genauer ansehen, welche Mittel und Wege der Kunde verwendet, um den Support anzusprechen, und welche Aussagen dort gemacht werden.
Würde der Hersteller regelmäßig das Internet überwachen, wüßte er sehr gut, welche Fehler auf echte Produktmängel hinweisen. Speziell bei dem hier geschilderten Problem bin ich auf viel ungläubiges Staunen unter Kunden gestoßen. Dieses Staunen scheint dem Hersteller aber offensichtlich unbekannt zu sein.
Hier sollte man unbedingt dafür sorgen, daß die Schalter optimiert werden, oder wenigstens die Kulanzregeln, ohne, daß hierfür Eingaben der Kunden notwendig sind.
Wer sich im Premiumsegment positioniert, sollte auch dessen Regeln einhalten. Man sollte daher in Fällen wie hier darauf achten, daß man Geräte so baut, daß sie nicht aus banalen Gründen ausfallen, bevor sie ein angemessenes Alter erreicht haben, und wenn ja, sollte das Gerät so gebaut sein, daß man es auch wirtschaftlich reparieren kann.
Andersherum: Warum nicht ein Billigprodukt kaufen, wenn dies genausolange hält wie ein teures Produkt? Wenn es ein billiges Produkt tut, wofür dann noch ein Premiumprodukt?
Ich werde mich wohl mal an der Heilung meines iPod versuchen – Schrottreif ist er ja allemal, und werde dann berichten ob es der vermutete und wahrscheinliche Fehler war.
Die nächsten Geräte werde ich voraussichtlich nicht bei demselben Hersteller kaufen.
Mich interessiert auch, was sich der Hersteller einfallen läßt. Auch davon würde ich berichten, falls mir eine Änderung auffällt.
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Das Original dieses Artikels ist auf →Der Produktmanager erschienen (©Andreas Rudolph). Regelmäßige Artikel gibt es über die (→Mailingliste), oder indem Sie →mir auf Twitter folgen. In der Online Version finden Sie hier die versprochenen weiterführenden Links: