Technischer Fortschritt, Communities und Anforderungen

Neulich habe ich über die Entwicklung nachgedacht, die die IT durchlaufen hat. Heute ist es üblich über das Internet zu kommunizieren. Jeder Privatanwender hat inzwischen Rechenpower installiert, über die man vor wenigen Jahren noch geträumt hat. Festplatten auf die ganze Filmsammlungen passen, stehen heute in vielen Haushalten selbstverständlich zur Verfügung.

Oder unser Wetter; die Vorhersage des zukünftigen Wetters ist besonders rechenintensiv, und anspruchsvoll. Die Vorhersagen werden inzwischen von Großrechnern simuliert und berechnet, die früher undenkbar waren (Daher werden die Vorhersagen sehr viel präziser).

Die Landung auf dem Mond (1969) ist noch nicht einmal ein halbes Jahrhundert her. Daran kann man die Entwicklung der IT sehr deutlich ablesen. Man kann an diesem Beispiel zudem studieren, wie Expertencommunities im Internet funktionieren, oder, welche Rolle die Anforderungen einnehmen.

Apollo Landing Computer

Der Apollo Landing Computer wurde von der Mannschaft um Neil Amstrong 1969 verwendet, um komplexe Berechnungen durchzuführen, die für den Landeanflug auf den Mond notwendig waren. Zu seiner Zeit war dieses Gerät damit die reine Inkarnation des technischen Fortschritts, analog zu den anderen Teilen von Rakete und Landefahrzeug.

Nachbau

In dem (englischsprachigen) Artikel → Build Your Own NASA Apollo Landing Computer (no kidding), wird nun beschrieben, wie Sie diesen Computer nachbauen können. Dieser Artikel ist aus meiner Sicht in mehrfacher Hinsicht unglaublich, und nicht nur für mich, wie die Kommentare dort zeigen:

  • Ein Software Ingenieur der Firma Lockheed Martin (sein Name ist John Pultorak) hat diesen Computer in mühevoller Kleinarbeit, und unter Kostenaufwand in seiner Freizeit nachgebaut.
  • Er hat den Nachbau sehr detailliert beschrieben, und dokumentiert. Wir alle können nun ebenfalls diesen Computer bauen.
  • Der dargestellte Computer ist einfach phänomenal (einfach), wie Sie in dem Artikel selbst nachlesen können.

Vergleich

Der Computer zeigt in direktem Vergleich mit einem normalen HeimPC, die Geschwindigkeit, mit der die Entwicklung in nicht einmal 50 Jahren stattgefunden hat. Hier die Rahmendaten, die dies verdeutlichen:

The Apollo AGC itself is a piece of computing history, it was developed by the MIT Instrumentation Laboratory and it was a quite amazing piece of hardware in the 1960s. It was the first computer to use integrated circuits (ICs), running at 1 Mhz it offered four 16-bit registers, 4K words of RAM and 32K words of ROM.

Anforderungen

Interessant ist auch der folgende Teil des Artikels, und der entsprechende Kommentar eines Lesers, weil er sehr deutlich zeigt, wie wichtig Anforderungen sind:

By the way, when Neil Armstrong and Buzz Aldrin landed on the moon they did have some trouble with the AGC which reported several unusual „program alarms“ and guided them towards a large crater with rocks scattered around it.

…It was recently disclosed by Aldrin why they had a problem with the computer on lunar descent. Buzz left the guidance system on while the descent radar was also on. His reasoning was if the descent had to be aborted he didn’t want to have to turn on the guidance while they were doing their abort rocket burn to escape from crashing (pretty smart).The Lunar module engineers didn’t design the computer for that much simultaneous input from both systems. They thought only the descent radar would be needed during descent. The computer kept giving the too much data overload alarm.

Lessons Learned

Aus dem Artikel kann man mehrere Dinge lernen, die durchaus gut übertragbar sind auf die Organisation, die notwendig ist, um die innerbetriebliche Innovation zum Erfolg zu führen.

Bedeutende Probleme anbieten

John Pultorak hat sich offensichtlich ohne wirtschaftliches Interesse einem Thema gewidmet, das die Allgemeinheit weiterbringt. Er hat sein Wissen zudem mit der Allgemeinheit geteilt für den Ruhm der namentlichen Nennung. Solche Konstellationen sind auch innerbetrieblich möglich, und üblich.

Versuchen Sie doch einmal ein komplexes Problem zu beschreiben, und bieten Sie dies Ihren Experten offen an (z.B. über eine Community, die Sie intern verwenden). Warten Sie anschiessend, bis sich einer Ihrer Experten sich der Lösung annimmt, nur, weil das Problem bedeutend ist, und es ihn interessiert. Das kann natürlich nur dann klappen, wenn es Ihre Prozesse erlauben, daß Experten freiwillig an wichtigen Problemen arbeiten, die eigentlich nicht zu ihren Aufgaben gehören.

Was innerbetrieblich funktioniert, kann auch mit externen Experten funktionieren; d.h. über den Mechanismus des wichtigen Problems, und der namentlichen Nennung können Sie externe Experten einfach in den Innovationsprozess einbinden. Um erfolgreich zu sein, sollten Sie über Communities verfügen, die regelmäßig von solchen Experten besucht werden (oder aktiv in solchen fremden Communites mitgestalten). Auch ist es wichtig, daß Sie glaubhaft machen können, daß Ihre Firma wichtige Probleme für die Allgemeinheit löst.

Anforderungen verstehen

Wenn man dem Kommentar am Artikel trauen kann, ist der Landing Computer offensichtlich unter einer falschen Annahme entstanden. Der Landing Computer ist nämlich unter der Annahme entstanden, daß im Landeanflug nur das Radar parallel betrieben wird. Im Wirklichkeit hat der Kapitän die Steuerung parallel zum Radar an gelassen, weshalb bereits aus Sicht des Designs zu wenige Verarbeitungsprozesse zur Verfügung standen.

Dieses Problem hätte man prinzipiell ganz einfach dadurch klären können, daß man die Anwendungsanforderungen und – bedingungen genauer klärt. Oder, man hätte von vornherein genügend Bandbreite vorsehen können. Einschränkend sollte man natürlich sehen, daß die Ingenieure damals nicht über die Einsatzerfahrungen verfügt haben – es hat sich schliesslich um die erste Mondlandung gehandelt.

Weiterführende Informationen

… auf www.Produkt-Manager.net

In meinen älteren Artikeln finden Sie weiterführende Informationen zum heutigen Thema:

Kontakt

Das Original dieses Artikels ist auf Der Produktmanager erschienen (©Andreas Rudolph). Regelmäßige Artikel gibt es über die (→Mailingliste), oder indem Sie →mir auf Twitter folgen. In der Online Version finden Sie hier die versprochenen weiterführenden Links:

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