Allheilmittel Innovation, auch wirksam zur Bekämpfung von Wirtschaftskrisen?

Neulich war in der Business Week ein Beitrag zur aktuellen Griechenlandkrise zu lesen, in dem die Verbesserung der Innovationskraft eine wichtige Rolle bei der Bewältigung der Wirtschaftskrise zugeschrieben wird (siehe → Greek Recovery Relies on Innovation).

Man muß mich nicht vom hohen Nutzen der Innovationsfähigkeit überzeugen. Trotzdem glaube ich nicht, daß die Stärkung der Innovationskraft das Allheilmittel ist, zu dem es hier gemacht wird – zumindest nicht kurzfristig.

Als Beispiel werde ich heute kurz auf die Situation Argentiniens eingehen, das es ohne EU Partner geschafft hat sich zu erneuern (siehe hierzu die Studien unter Weiterführende Informationen). Die dortigen Lehren zeigen, daß das Problem – zumindest kurz- und mittelfristig – anders gelagert ist.

Greek Recovery Relies on Innovation

Der erwähnte Artikel → Greek Recovery Relies on Innovation geht auf die mangelnde Innovationskraft der griechischen Volkswirtschaft ein, und sieht darin eine der wesentlichsten Herausforderungen, vor denen das Land steht. Der Artikel gibt einige Beispiel an, die die Behauptung bekräftigen sollen. So wird zum Beispiel festgestellt, daß die IT Nutzung dort nicht sonderlich vorangeschritten sei.

Wie kann Griechenland geholfen werden?

Auch zum unmittelbaren Problem der griechischen Wirtschaftskrise behauptet der Autor, daß wachsendes Vertrauen und die Stimulierung von Wachstum notwendig seien, auch in europäischem Interesse. Um aus der schlechten Situation herauszukommen, benötigt das Land jetzt Innovation, und gute Regierung, und es solle möglichst nicht bei den Bildungsausgaben sparen:

We urgently need measures that will help restore confidence in Greece and stimulate growth in its ailing economy. Getting Greece back on track will be important encouragement for other debt-ridden countries in Europe that are on their own paths to recovery….

No one disputes that Greece badly needs reform. The country’s debt is expected to rise to about 160 percent of GDP soon. It has high unemployment and an inert economy. The austerity measures imposed by the EU and IMF are sure to stifle any near-term growth. Given Greece’s dire economic position, aid-based solutions will be a necessary part of any recovery, but they are not the only measures. What Greece needs most for the long term is investment in the cornerstones of a strong economy: innovation and good governance.

Das richtige Rezept?

Dem Autor würde es demnach reichen, wenn Griechenland innovativer werden würde – schon wäre das Dilemma beseitigt. Langfristig gesehen mag dies stimmen. Kurz- und mittelfristig halte ich diese Schlussfolgerung aus folgenden Gründen nicht für ausreichend:

  • Innovationskräfte sind Langläufer – es werden aber kurzfristige Maßnahmen benötigt
  • Die aktuellen Probleme sind fiskalischer Natur – und lassen sich nicht angebotsorientiert lösen.

Innovationskräfte sind Langläufer

Bei der Innovationskraft, und speziell bei den Faktoren, die zu Innovation führen handelt es sich überwiegend um langfristige Faktoren, die sich nicht kurzfristig aufbauen lassen.

Zählt man zum Beispiel die Jahre, die notwendig sind, um einen Ingenieur „modern“ auszubilden, hat man eine erste Vorstellung davon, daß es kein Staat schaffen wird, sich kurzfristig über das übereilte Nachholen einer (versäumten) Qualifizierung der Arbeitnehmer in einen andere Position zu bringen.

Daher ist es ja auch so wichtig, daß man das Thema „Innovation“ nicht als Eintagsfliege versteht, sondern als ein Thema, das es konstant zu fördern gilt.

Im Fall von Griechenland halte ich es für illusorisch anzunehmen, man könne über Maßnahmen beim Faktor Arbeit kurzfristig eine signifikante Änderung bewirken. Einzig könnten sich die politisch Verantwortlichen die Frage stellen, ob und wo die derzeitigen Bedingungen in Griechenland die Menschen daran hindern, innovative Produkte zu entwickeln, und dort ansetzen.

Hier mag zwar die IT Ausstattung ein Grund sein. Normalerweise liegen die wahren Inhibitoren aber tiefer, und sind prosaischerer Natur. Beispiele sind:

  • Ein Land bietet den gut qualifizierten Menschen keine Lebenschancen, sodaß diese abwandern.
  • In einem anderen Land sind Beamtenkarrieren besser angesehen, als Arbeiten in der Industrie, sodaß sich die Menschen anders orientieren, als dies im Hinblick auf die Innovationskraft notwendig wäre.
  • In einem weiteren Land sorgen bürokratische Hemmnisse dafür, daß sich Unternehmen nicht entwickeln, etc.

Die aktuellen Probleme sind fiskalischer Natur

Griechenland ist ein hochverschuldetes Land, daß aus viele Gründen in die Misere geraten ist. Sicher ist auf der einen Seite das Versäumnis der Verantwortlichen zu nennen, das Land nicht frühzeitig umgesteuert zu haben. Auf der anderen Seite ist wohl auch das Versäumnis der Bürger zu sehen, die den Staat zum Beispiel nicht mittels einer hohen Steuermoral unterstützen.

Wie die Gründe auch liegen mögen; in der nun notwendigen fiskalischen Anpassung gerät eine solche Volkswirtschaft normalerweise aus dem Gleichgewicht, was sich dann beispielsweise in negativen Wachstumsraten äußern kann oder in hoher Arbeitslosigkeit. Die gegenwärtige Lage des Landes ist vergleichbar mit der Lage Argentiniens, das mehrere schwere Wirtschaftskrisen hinter sich hat, und über Jahrzehnte nicht zur Ruhe kam.

In dieser Situation ist zunächst einmal das makroökonomische Gleichgewicht relevant, und weniger die Strategien, die dazu dienen, die Angebotsseite der Volkswirtschaft zu verbessern.

Unter Weiterführende Informationen finden Sie einige Studien, die sich mit der Stabilisierung Argentinens befassen, die ca. 2001 eingeleitet wurde, und dem Land seitdem hohe Wachstumsraten beschert.

Der Tenor dieser Studien ist, daß Argentinien (unkonventionelle) makroökonomische Anpassungen vorgenommen hat, die dann in der Folge dazu geführt haben, daß Vertrauen zurückgekehrt ist, und, daß der Binnenkonsum seine wichtige Rolle übernommen hat.

In dem Artikel, den Gupta 2003 verfaßt hat geht es schiesslich um Dinge, die ein Entwicklungsland lernen kann aus den Fehlern Argentiniens. Auch dort kann man sehen, daß es sich zunächst um makroökonomische Faktoren handelt, die aus dem Gleichgewicht geraten sind. Hier sind einige dieser Faktoren:

  • Globalisation exposes a country to enormous shocks. Adjustments in exchange rates are part of the coping mechanism.
  • Growth requires financial institutions that lend to domestic firms
  • Timing and pacing is critical. Open markets can operate efficiently only within a strong regulatory environment.
  • Such strategies require near-flawless execution. In the real world, policymakers in developing nations face too many political constraints to pull everything off overnight.

Aus → Argentina’s Economic Recovery – Policy Choices and Recovery – Center for Economic and Policy Research, Oct 2007 (Weisbrot, et.al) kommen weitere Lehrsätze. So ist die Lösung eigentlich im Land selbst zu erarbeiten, und kann nur mit allen Gruppen der Bevölkerung gelingen:

“But the exports did not play a major role in the rest of the recovery after the first six months. The next phase of the recovery… was driven by private consumption and investment.

“Real wages increased by 40,1 percent over the five years from June 2002 to June 2007.7. Inequality as measured by the Gini coefficient, als dropped sharply from 0.537 in 2002 to 0.490 in the second half of 2006

“Another policy that contributed to the recovery was a program that provided a monthly stipend (150pesos) to heads of households who were unemployed with children up to 18 years-old…

Argentinien hat seine Anpassung über die Änderung der Wechselkurse eingeleitet (diese Methode steht in Griechenland nicht zur Verfügung). Auch wurden dem Land Schulden erlassen (“haircut”).

Vielleicht auch deshalb fordert Weisbrot in der New York Times, daß Griechenland die Eurozone verlassen und abwerten sollte (siehe → Why Greece Should Reject the Euro (MARK WEISBROT):

The main reason for Argentina’s rapid recovery was that it was finally freed from adhering to fiscal and monetary policies that stifled growth. The same would be true for Greece if it were to drop the euro. Greece would also get a boost from the devaluation’s effect on the trade balance (as Argentina did for the first six months of recovery), since its exports would be more competitive, and imports would be more expensive.

Press reports have also warned of a sharp increase in Greek debt from devaluation if it were to leave the euro zone. But the fact is that Greece would not pay this debt, as Argentina did not pay two-thirds of its foreign debt after its devaluation and default.

Fazit

Langfristig ist es sicherlich richtig, daß Griechenland innovativer werden muss – auch unter Zurhilfenahme von modernen Arbeitsmethoden, wie z.B. der Informationstechnik (An dieser Stelle zeigen sich erneut die fatalen Folgen von Politiken, die es versäumen, die Innovationskräfte zu fördern).

Kurz- und mittelfristig (und hierbei geht es in der gegenwärtigen Krise) steht aber im Vordergrund, daß Griechenland zunächst einmal wieder in eine makroökonomische Gleichgewichtslage zurückfindet. Hierbei helfen die Politiken zur Verbesserung der Innovationskraft wenig. Vielmehr ist es notwendig, ein neues Verhältnis zwischen den Faktoren „Arbeit“ und „Kapital“ zu finden.

Um voranzukommen, muß eine hoch verschuldete Wirtschaft zunächst einmal sich auf alte Tugenden besinnen (ausgeglichener Haushalt), und dann auf die eigenen Wachstumstreiber.

Weiterführende Informationen

… im Internet

In der NetWorkWorld finden Sie zwei weiterführende Artikel, in denen Sie mehr Informationen über die Thematik „Advanced Persistent Threats“ erhalten.

… www.Produkt-Manager.net

In meinen älteren Artikeln finden Sie weiterführende Informationen zum heutigen Thema:

Kontakt

Das Original dieses Artikels ist auf Der Produktmanager erschienen (©Andreas Rudolph). Regelmäßige Artikel gibt es über die (→Mailingliste), oder indem Sie →mir auf Twitter folgen. In der Online Version finden Sie hier die versprochenen weiterführenden Links:

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