Innovationsstandort Deutschland

In den letzten Tagen ist mir eine kleine gedruckte Broschüre in die Hände gefallen, mit der ich mich heute auseinandersetzen will. Dort hat Hasso Plattner unter dem Motto „Es braucht mehr Mut zum Risiko“ einige Gedanken zu der Frage geäußert, was unser Land benötigt, um innovativer zu werden.

Ich teile nicht alle seine dort geäußerten Ansichten, jedoch seine Kernideen möchte ich heute gerne unterstützen.

Innovation Stars. Zukunft erleben…

In der Broschüre Innovation Stars. Zukunft erleben…, die herausgegeben wird von der Metropolregion Rhein-Neckar GmbH (→Webseite), sagt Plattner auf die Frage, was das Silicon Valley ausmacht:

… denn das Silicon Valley ist eine einmalige Mischung von verschiedenen Quellen der Kreativität…. Deshalb gibt es im Valley hervorragendes Personal. Ideale Bedingungen für eine junge Firma, die wachsen will und auf beides zugreifen kann: auf junge, hungrige Leute von den Hochschulen und erfahrene Spezialisten von den bestehenden Firmen.

Weiter unten sagt er zum Thema Firmen im Silicon Valley:

Ich habe beispielsweise Studenten an der Stanford University gefragt: Was macht die jungen Firmen im Silicon Valley anders, warum sind sie so innovativ? Dabei hat sich herausgestellt: Dort gibt es ganz neue Organisationsformen…. Heute gibt es professionell gesteuertes Organisationsmanagement und Wissensmanagement.

Auf die Frage, was man tun muss, um Innovationskultur zu fördern, erwidert er:

Was hilft ist Querdenken, Querreden, Informationen fliessen zu lassen. Ich stelle mir das immer vor wie Kondensationskeime…

… Das Modell der d-School in Stanford ist einfach, beruht auf drei Erkenntissäulen, und das kann auch in Deutschland als Vorbild dienen. Erstens Desirability! Die Leute müssen Produkte lieben – das wird in Deutschland oft unterschätzt. Zweitens: Feasibility! Ideale technische Lösungen bieten – darin sind wir gut. Drittens: Viability! Also die Antwort auf die Frage, wie man ein Unternehmensmodell realisieren und damit Geld verdienen kann in China, USA, Europa. Und das alles muss immer im Zusammenhang betrachtet werden.

Einordnung

Clusterbildung

Michael Porter hat viel zum Thema Netzwerkeffekte geschrieben. Insbesondere hilft einem sein →Diamanten-Modell dabei zu verstehen, wie die Wettbewerbsfähigkeit von Regionen und Volkswirtschaften durch eine →Clusterbildung in einzelnen Branchen entsteht.

Demnach fangen einzelne Firmen oder Universitäten in einer Region damit an, Kompetenzzentren zu bilden. Es siedeln sich andere Firmen an, die an Teilen der Wertschöpfungskette mitwirken, was zu einer gegenseitigen Verstärkung der Kompetenzen führt. Hinzu kommen gut ausgebildete Fachkräfte, sowie leistungsfähige Universitäten. Das Silicon Valley stellt im Prinzip einen solchen Diamanten dar, der deshalb auch nur schwer zu erreichen oder zu imitieren ist.

Zum Beispiel entstand in Deutschland früh eine Textilindustrie, die einen hohen Bedarf an leistungsfähigen Maschinen hatte. Dieser Bedarf, zusammen mit dem Know How das Universitäten beigesteuert haben, hat dazu geführt, daß sich eine leistungsfähige Maschinenbauindustrie entwickelt hat. Diese Industrie hätte sich nie an anderen Orten entwickeln können, da dort keinen qualifizierte Nachfrage nach solchen Maschinen bestand. Hinzu kommt, daß diesen entfernten Firmen der Showcase gefehlt hätte, da sie kaum Zugang zu den eigentlichen Aufgabenstellungen ihrer Kunden erlangt hätten.

Auch wenn es uns nicht gelingen mag, die Charakteristika des Silikon Valleys im Bereich der Softwareentwicklung zu imitieren, so sollten wir uns hier aber mindestens darauf konzentrieren, unsere eigenen Cluster aus strategischer Sicht zu entwickeln.

Ein Beispiel hierfür wären die Entwicklungen, die derzeit auf dem Gebiet der erneuerbaren Energie stattfinden, oder, die sich im Rahmen von Green IT ergeben, welche wir hier strategisch unterstützen sollten. Um hier weiterzukommen, sollte sich jeder Entscheider einmal mit Porter auseinandergesetzt haben.

Entwicklung

Ein weiteres Verbesserungspotential ergibt sich hier bei uns oft noch aus dem professionell entwickelten Organisationsmanagement, das man im Silikon Valley findet. Meiner Meinung nach verschenken viele Firmen auf folgenden Gründen hier unnötig viel Optimierungspotential:

  • Es besteht oft keine Kultur des Lernens, sondern eher eine Kultur des Lieferns und Leistens. Speziell in der IT Industrie ist hier der Zeit- und Arbeitsdruck verantwortlich zu machen, der dazu führt, daß sich Mitarbeiter und Firmen zu einseitig auf die Umsetzung konzentrieren, und zu wenig Zeit in das explorative Entdecken neuer Wissensquellen investieren.Erst langsam zeigen sich zum Beispiel Ansätze einen Innovationsfreitag einzuführen, wie dies Google vorgemacht hat. Oder es werden Versuche unternommen, Ausgründungen zu forcieren, oder Mitarbeiter zu beteiligen. Diese Versuche sind aber eigentlich noch zu zaghaft. Was wir bauchen ist das Verständnis, das jeder Lernen kann, und dies auch stets tun sollte.
  • Unsere Kulturen sind zu wenig ausbalanciert im Hinblick auf den Altersaufbau. Noch vor wenigen Jahren herrschte in den Firmen Jugendwahn, was auch zu einer besonderen, jugendzentrierten Auffassung in vielen Bereichen geführt hat, die für Innovation zuständig sind. Nun ist es aber so, daß ältere Mitarbeiter Elemente in die Diskussion einbringen, die letztendlich die Professionalität des Organisationsmanagement verbessern.

In Zukunft sollte darauf geachtet werden, daß das Verhältnis zwischen den Generationen ausgeglichener wird. Rente mit 67 ist eins,  der Wertbeitrag durch ältere Mitarbeiter ist etwas anderes.

  • Man hat oft noch nicht den Königsweg gefunden, um Wissen zu managen, und ist viel zu langsam in der Umsetzung von Web 2.0. Speziell Blogs, oder auch die Errungenschaften des Web 2.0, wie Twitter, Facebook, etc haben einen starken Wissensmanagementanteil. Man kann diese neuen Medien sehr gut dazu verwenden, um Informationen und Ideen im Sinne eines freien Informationsflusses zugänglich zu machen.

Jedoch zeigt auch meine Erfahrung als Herausgeber eines Fachblogs, daß diese Themen hier noch sehr unterentwickelt sind. Im Gegensatz hierzu existiert im Silikon Valley eine rege Bloggerkultur. Dort unterhält eigentlich jeder Fachmann einen Blog, um sein Wissen zu teilen. Dies ist hier eher seltener der Fall. Diesen Mangel kann man auch daran erkennen, daß in Deutschland nur die wenigsten Leser bereit sind, Blogbeiträge zu kommentieren. Dies ist in den USA ganz anders.

Produkte lieben

Als reiner Produktmanager würde ich vielleicht leichtfertig betonen, wie wichtig das Kennen und Einbeziehen des Kunden ist. Ich würde vielleicht auch einseitig mich darauf beschränken, daß der Kunde im Zentrum des Bemühens stehen sollte. Bei alledem könnte ich ggfs schnell vergessen, wie wichtig die Liebe zum Produkt ist, d.h. wie wichtig es sein kann, über Entwickler zu verfügen, die sich für die Produkte und Technologien begeistern, und Visionen hervorbringen.

An der Stelle, so denke ich, hat Plattner uneingeschränkt Recht: Ein Produktvisionär, der sich und seine Kunden von und mit seinen Produkten begeistert, ist besser für ein innovatives Umfeld, als jemand, der sich „nur“ auf den Kunden konzentriert, und es diesem stets recht machen will.

Ich glaube, Plattner ist hier das beste Beispiel: er nimmt oft die Rolle des Produktvisionärs ein, und überläßt die Marketingsprache anderen. Dabei baut er auch schon einmal Produkte, die Kunden vor Entwicklungsbeginn nicht aktiv nachfragen, von denen sie aber hinterher begreifen, wie dringend sie sie benötigen.

Da es ja schon einmal eine Frage eines Lesers war: Genau hier liegt auch ein tieferer Grund meiner Behauptung, daß Wirtschaftsingenieure eigentlich gelernte Produktmanager sind. Diese Kollegen lernen nämlich a priori beide Welten zu verbinden: Kunden/ Markt und Technik, und nicht selten finden sich echte Produktvisionäre darunter, die dann auch noch Kundenversteher sind.

Weiterführende Informationen

… auf www.Produkt-Manager.net

In den folgenden Artikeln finden Sie weiterführende Informationen zum heutigen Thema:

Kontakt

Das Original dieses Artikels ist auf Der Produktmanager erschienen (©Andreas Rudolph). Regelmäßige Artikel gibt es über die (→Mailingliste), oder indem Sie →mir auf Twitter folgen. In der Online Version finden Sie hier die versprochenen weiterführenden Links:

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