Neulich habe ich begonnen, Ihnen in größerer Breite ein → Buch von Paul Krugman vorzustellen, in dem er die Mechanismen von Wirtschaftskrisen behandelt. Ich hatte versprochen, diese erweiterte Buchbesprechung fortzusetzen. Hier die noch offenen Themen:
Ich schliesse diesen Bericht mit dem Versuch ab, Krugman’s Analyse auf Produktmanagementthemen zu beziehen.
Hier geht’s zum Buch: Paul Krugman → Die neue Weltwirtschaftskrise.
Lange erschien es unmöglich, dass einzelne Personen mit ihren Finanztransaktionen das Schicksal ganzer Länder beeinflussen können. Hedgefonds haben in einigen Krisen in den neunziger Jahren jedoch eine eindrucksvolle Rolle gespielt, und das Gegenteil bewiesen. Hedgefonds arbeiten hochspekulativ und setzen auf makroökonomische Entwicklungen. Sie sind kurzfristig in der Lage zu Transaktionen, die ein Vielfaches ihrer Bilanzsumme ausmachen.
Hedgefonds zielen darauf ab, Marktschwankungen zu nutzen, die sie teilweise selbst herbeiführen. Sie benötigen für ihre Geschäfte kaum, oder nur sehr wenig Eigenkapital, da sie quasi nur mit fremdem Geld arbeiten. Hedgefonds mit einem guten Namen können daher sehr große Geldsummen aufnehmen, und bereits bei sehr geringen Schwankungen der Marktwerte ihr Kapital verdoppeln. Dies gilt jedoch auch in die entgegengesetzte Richtung, d.h., dass Hedgefonds daher auch sehr schnell sehr viel Geld verlieren können. Dies macht sie auf der einen Seite gefährlich, auf der anderen Seite aber auch riskant.
„Die typische Strategie dabei ist, Verkaufspositionen.. mit Kaufpositionen zu kombinieren. Gewinne ergeben sich, wenn a) die auf Baisse gekauften Werte im Kurs fallen, … oder b) die gekauften Werte im Kurs steigen oder c) beides zusammenfällt“ – Paul Krugman
In 1990 hat nun George Soros, ein bekannter Investor, es mit Mitteln des Hedgefonds und mit Währungsspekulationen geschafft, das britische Pfund aus dem europäischen Währungssystem herauszusprengen. Spätestens da hätte man lernen können, dass Hedgefonds auch ganze Märkte ins Wanken bringen können. Weitere solcher massiven Spekulationsattacken fanden in weiteren Ländern und gegen weitere Währungen statt, wie zum Beispiel in Malaysia, oder 1998 in Hongkong. Einige sind nur aufgrund kluger Abwehraktionen glimpflich abgelaufen. Auf der anderen Seite hat es auch bereits Beipiele von Hedgefonds gegeben, die durch Fehlspekulationen ins Trudeln geraten sind, und – falls nicht gerettet – das Finanzsystem in Mitleidenschaft gezogen hätten. Jedoch hat man, laut Krugman, wie man heute weiss nicht die richtigen Lehren daraus gezogen.
Krugman bespricht in seinem Buch die Rolle, die das niedrige Zinsniveau seit 2000 gespielt hat. Er sagt im wesentlichen, das such unter Greenspan mehrere bedeutende Spekulationsblasen entwickeln konnten, weil man nichts dagegen unternommen hat. Diese sind später geplatzt, und haben sehr viel Unheil angerichtet.
Interessant ist, wie er die Entstehung der Blasen erklärt. Demnach war die dot.com Blase und die massive Steigerung der Aktienkurse zurückzuführen auf folgende Gründe
„Und als die Kurse stiegen, wurden sie zum Selbstläufer. Die mehr oder weniger vernünftigen Argumente für einen Aktienkauf spielten 1998 schon gar keine Rolle mehr. Die Leute sahen nur eins: Wer Aktien gekauft hatte, fuhr große Gewinne ein; wer abgewartet hatte, ging leer aus. Daher strömten immer mehr Gelder in den Aktienmarkt, die Kurse stiegen und stiegen, und die Blase wuchs – scheinbar unbegrenzt“ – Paul Krugman
Kurz nach dem Internetbubble kam es zu einer Immobilienblase, die quasi die Rezession aus dem Internetbubble beendete, und die Irrationalitäten aufnahm. Diese hatte folgende Ursachen:
Das Platzen der Immobilienblase hat schließlich zu Resultaten geführt, die niemand für möglich gehalten hatte. Er nennt als Hauptgrund für die Falscheinschätzung, dass sich die Finanzmärkte signifikant geändert hatte, ohne dass man dies richtig begriff.
Laut Krugman beruhen Banken auf dem Prinzip, dass sie das Geld für ihre Kunden verwahren, und – weil nicht jeder Kunde jeden Tag sein gesamtes Geld nachfragt – nur einen bestimmten Teil der Einlagen auszahlungsbereit vorrätig halten. Sie haben sich in dieser Funktion aus den Goldschmieden entwickelt. Wie man in der ersten Weltwirtschaftskrise gelernt hat, können Banken allerdings untergehen, wenn ein Bank Run einsetzt, d.h., wenn die Anleger misstrauisch werden, und ihr gesamtes Geld einfordern. Um dies zu vermeiden hat man Einlagensicherungsfonds eingerichtet, und stellt über Regulierungen sicher, dass die Geschäftsbanken einen Teil ihres Geldes dort einzahlen.
In den letzten Jahren haben sich jedoch Schattenbanken entwickelt, die sich dieser Regulierung entzogen haben, und die deshalb die Einlagen höher verzinsen konnten. Er nennt als Beispiele die Auction Rate Securities, die Lehman Brothers 1984 erfunden haben. Diese und ähnliche Entwicklungen hin zu (unregulierten) Schattenbanken, hat ab 2000 stark an Fahrt aufgenommen, und der Sektor ist sehr groß geworden. Viele dieser Schattenbanken sind durch moderne Formen von Bankenanstürme in Bedrängnis geraten.
Er sieht den wirtschaftspolitischen Fehler in dem Umstand, dass leitende Politiker und Regierungsbeamte es nicht erkannt haben, dass über die Schattenbanken…
„wir erneut jene finanzielle Verletzlichkeit schufen, die die große Depression möglich gemacht hatte – und ihre Reaktion hätte darin bestehen müssen, die Regulierung und das finanzielle Sicherheitsnetz auszuweiten, dass auch diese neuen Institutionen davon erfasst worden waren“ – Paul Krugman
Die jetzt entstandene Weltwirtschaftskrise setzt sich aus vielen, bereits bekannten Elementen zusammen. Krugman nennt die folgenden Elemente, und bespricht in seinem Buch die einzelnen Gründe:
Krugman zeigt den folgenden Weg aus der Krise auf
Wir müssen ohne Frage erneut die Lektionen lernen, die unseren Großvätern durch die große Depression erteilt wurden – Paul Krugman
Wenn sie die jüngere Presse verfolgt haben, werden sie gegebenenfalls festgestellt haben, dass bereits viele dieser Punkte umgesetzt worden sind.
Krugman erklärt uns in seinem Buch zunächst einmal die derzeitige Krise, und auch einige Sollbruchstellen in unserem Wirtschaftssystem. Da wir typische Produktmanager im Technologiebereich normalerweise nicht im wirtschaftspolitischen Bereich arbeiten, helfen uns diese Erkenntnisse eher indirekt weiter, wenn es darum geht globale Märkte und technologische Entwicklungen zu bewerten. Desweiteren erlaubt es uns, das jetzige Marktumfeld besser zu verstehen.
Er geht weiterhin auf die einzelnen Bausteine einer Fehlentwicklung ein, die sich zum Beispiel ergibt, wenn Märkte irrational reagieren. An dieser Stelle wird es schon direkter relevant für unseren Arbeitsbereich, weil ähnliche Mechanismen auch in unseren Bereichen wirken. Denken Sie nur an den Hype, den die Markteinführung eines bestimmten Produktes erzeugen kann, oder denken Sie nur an Entscheidungen, die plötzlich von vielen Unternehmen gleichzeitig quasi aus Gruppenzwang getroffen werden, obwohl nicht immer sinnvoll im Einzelfall (z.B. manche Verlagerungsentsscheidung im globalen Markt).
Vielleicht noch relevanter ist die Frage nach der Authentizität unserer Handlungen, bzw der Ethik, die sich aus dieser Analyse ergibt. Denken Sie in diesem Zusammenhang nur an die fatalen Folgen eines kritiklos umgesetzten Geschäftsmodelles das die Risiken und Kosten anderen aufbürdet (hier: Kreditvergabe ohne Riskoübernahme, und Produktisierung von Risiken). Wenn Sie zum Beispiel an der Gestaltung von Geschäftsprozessen arbeiten, kann es schon eine relevante Erkenntnis sein, dass man den Prozess auch auf seine Robustheit und Nachhaltigkeit hin untersuchen sollte.
Wieviele von Ihnen haben mit dem Reporting zu tun (vom Rückmelden eines Projektes bis zum Bewerten einer Technologie). Denken Sie in diesem Zusammenhang auch einmal an die Folgen einer systematisch zu schönmalerischen Berichterstattung wie geschehen bei der Bewertung der Kreditvehikel in dieser Krise.
Vielleicht fallen Ihnen weitere Punkte ein…. Es würde mich freuen.
Das Original dieses Artikels ist auf →Der Produktmanager erschienen (©Andreas Rudolph). Folgeartikel zum Thema gibt es über die (→Mailingliste), oder indem Sie →mir auf Twitter folgen.
In der Online Version des Artikels finden Sie hier die versprochenen weiterführenden Links:
Great news, I’d say thanks to writer because i have read here a lot useful knowledge. I will definitely subscribe RSS. Best regards