Die Lehren aus 1929 und der Weg voran

Kürzlich bin ich auf einen Internetservice gestoßen, über den man das wahre Ausmaß der derzeitigen Veränderungen im US Arbeitsmarkt besser versteht.

Auf der Seite  → http://www.techcrunch.com/layoffs/ werden die Entlassungspläne von Firmen im Technologiebereich gesammelt. Nicht zuletzt wurde ich auch durch den derzeit stattfindenden G20 – Gipfel animiert, nochmal auf makroökonomische Themen zurückkommen.

Die Information passt zur Thematik Wirtschaftskrise, die ich hier schon öfters aufgegriffen habe, weil sie die derzeitigen Marktbedingungen widerspiegeln.

Die Lehren aus 1929 und die heutige Wirtschaftskrise

Folgender Artikel enthält eine  interessante Studie zu den historischen Lehren: Die Lehren aus 1929 (bei Handelsblatt.com am 31.03.2009 veröffentlicht).

Romer’s Studie

Der Artikel und die Studie handelt, bzw stammt von Christina Romer. Christina Romer ist Wirtschaftsberaterin des amerikanischen Präsidenten Barack Obama und als Expertin für die 1929 ausgebrochene erste Weltwirtschaftskrise anerkannt.

In ihrer → Studie äußert sie die Meinung, dass der wirtschaftliche Zusammenbruch damals noch größer war, als heute, und zudem politische Fehler gemacht worden sind. Die Wende zum Besseren hat damals  erst eingesetzt, als über Roosevelt’s damalige New Deal Politik Konjunkturprogramme aufgelegt worden waren, die eine signifikante Größe hatten.

Da die damaligen Programme allerdings zu früh wieder eingestellt worden sind, kam auch die Wirtschaft nur langsam wieder auf die Beine (Konkret geht sie davon aus, dass die Krise um zwei Jahre verlängert wurde, weil man damals zu früh den Stimulus zurückgenommen hat).

Vergleich der Krisen

Weitere interessante Details aus der Studie sind die Ähnlichenkeiten zwischen den beiden Krisen, und der Feststellung, dass die Weltwirtschaft heute prinzipell in derselben Situation steckt:

  • 1929 hat eine Börsenkrise zu einem Einbruch des Verbrauchervertrauens geführt. Heute war ein Einbruch bei US Hauspreisen ursächlich für den Ausbruch der Krise, weil sie zu einer Kaufzurückhaltung führt. Dies geschieht daher, weil viele Menschen auf steigende Hauspreise gesetzt hatten
  • Damals hat der Zusammenbruch von 50% aller Banken zu einem Zusammenbruch der Geldmenge geführt, und zu einem Einbruch der Kreditvergabe. Heute führen Derivate zu einer hohen Belastung des Systems, und in Folge zu einer Kreditklemme
  • Die Krise ist global – heute wie damals. Es fallen daher auch heute die Möglichkeiten aus, dass andere Regionen die fehlende Nachfrage einer Region kompensieren

Romer’s Lehren

Sie leitet Lehren aus dem Verlauf der damaligen Krise ab und gründet folgende Empfehlungen auf diesen Lehren:

  • Sie empfiehlt den heute politisch verantwortlichen Menschen nicht zu zögern, und große Konjunkturprogramme aufzusetzen, weil sie festgestellt hat, dass die damalige Haushaltsdisziplin krisenverschärfend war
  • Man soll sich diesmal vor dem Einstellen der Programme die Gewissheit verschaffen, dass die Wirkung und Erholung eingesetzt hat, weil damals die Rücknahme des Stimulus zu früh erfolgt ist, und die Krise verlängert hat
  • Eine weitere Lehre aus der damaligen Krise ist, dass Geldmengenwachstum auch dann eine Wirtschaft wieder in die Spur bringen kann, wenn die Zinsen nahezu null Prozent betragen. Sie argumentiert, dass ein Grund für die damalige Untätigkeit der politisch Verantwortlichen war, dass die US Notenbank den damaligen Goldstandard nicht aufgeben wollte. Die Untätigkeit war einer der Gründe, warum sich die damalige Krise so sehr negativ entwickelt hat. Erst als Roosevelt den Goldstandard kurz verlies, kam es zu einer größeren Abwertung des US  Dollars. Diese Abwertung hatte zur Folge, dass die deflationären Tendenzen gebrochen wurden, die damals die Wirtschaft im Abwärtsstrudel hielt.
  • Die vierte Lehre, die sie zieht ist die, dass die Erholung des Finanzsektors  und der Realwirtschaft Hand in Hand gehen. Erst nachdem damals die Börsen anzogen und die Konkursquoten abnahmen setzte eine Erholung ein, in der Banken wieder verdienen konnten. Dies führte zu einem Rückgang der Konkurse bei den Banken, und zu einem weiteren Wachstum der Realwirtschaft.
  • Eine weltweite expansionistische Politik belastet jedem und hilft jedem. Sie hält es für sinnvoll, dass sich möglichst viele Länder mit expansiver Fiskalpolitik an der Krisenbewältigung beteiligen
  • So wie die erste Wirtschaftskrise endete, wird auch die aktuelle Krise enden.

Oliver Blanchard zu der aktuellen Krise

Oliver Blanchard ist ein MIT-Professor und Ökonom am IWF. Er hat eine lesenswerte Analyse von Krisenentstehung und Bekämpfung vorgelegt. Sie findet sich auf den Servern des Social Science Research Network (SSRN)  → The Crisis: Basic Mechanisms, and Appropriate Policies.

Er sagt, dass der Auslöser für die Krise ein Rückgang der Hauspreise in den USA war. Dies konnte sich jedoch nur deshalb zu einer globalen Krise auswirken, weil mehrere Entwicklungen in den Vorjahren stattgefunden hatten, die dies begünstigt haben.

Diese Entwicklungen machen den Umbau des Weltfinanzsystems notwendig, um zukünftige Krisen zu verhindern.

G20-Beschlüsse in der vorgezeichneten Richtung

Anlässlich des jüngsten G20 Gipfels wurden viele Beschlüsse gefasst, die in die Richtung gehen, die die Ökonomen vorschlagen.

Maßnahmen

Hier die wichtigsten Maßnahmen (siehe → Klares Bekenntnis zur Regulierung der Finanzmärkte (Spiegel 03.04.09)):

  • Eine Finanzspritze in Höhe von mehreren Billionen Dollars für die Ankurbelung der Konjunktur
  • Eine Billion Dollar, die in über den Internationalen Währungsfonds an finanziell geschwächte Schwellen- und Entwicklungsländer gehen wird, um diese mit neuem Kapital zu versorgen

Wirkung der Beschlüsse

Die folgenden Beschlüsse setzen an wichtigen Krisenursachen an

  • Eine Beendigung des Schattenbanksystems, und eine Austrocknung der Steueroasen: Die gegenwärtige Krise ist dadurch entstanden, dass Gelder unkontrollierbar in Steueroasen transferiert worden sind, und dort unter hohem Risiko angelegt worden waren
  • Geänderte Entlohnungssysteme für Manager, um sicherzustellen, daß die zukünftigen Anreizstrukturen nachhaltiges Wirtschaften und langfristige Orientierung unterstützt
  • Änderung der Finanzmarktaufsicht. Krisenverursachend waren zu laxe Kontrollen des Kapitalmarkts. Um weitere Krisen zu verhindern, sollen Hedgefonds besser kontrolliert werden, Rating-Agenturen beaufsichtigt werden, und das Bankgeheimnis abgeschafft werden

Kommentare

Die meisten Kommentatoren halten die Richtung für richtig, haben jedoch auch Einschränkungen anzumelden:

  • Hans-Werner Sinn weist darauf hin, dass die USA sich in den letzten Jahren stark verschuldet hat. Dies wird in Zukunft nicht mehr gehen. In Zukunft werden Länder wie China und Deutschland sich deshalb nicht mehr nur darauf spezialisieren können sich auf die Versorgung der amerikanischen Konsumenten zu konzentrieren.
  • Klaus Zimmermann hält die Trendwende noch in diesem Jahr für möglich, hält aber einige der beschlossenen Punkte für so vage, dass sie derzeit nicht den notwendigen Rückenwind geben.
  • Gustav Horn denkt, dass eine Trendwende bei der Krise nicht vor Ende des kommenden Jahres zu erwarten sein wird
  • Weitere Ökonomenmeinungen finden Sie in dem weiter oben verlinkten Artikel.

Ausblick

Die Weltwirtschaftskrise wird derzeit mit Nachdruck bekämpft. Dabei werden auch historische Lehren berücksichtigt. Wir werden in der nächsten Zeit weitere grundlegende Änderungen der Marktbedingungen sehen.

Im Hinblick auf die mögliche Gesundung muss man davon ausgehen, dass die Lage sich generell noch nicht zum Besseren gewandt hat.

Weiterführende Informationen

Das Original dieses Artikels ist auf Der Produktmanager erschienen (©Andreas Rudolph). Regelmäßige Artikel gibt es über die (→Mailingliste), oder indem Sie →mir auf Twitter folgen. In der Online Version finden Sie hier die versprochenen weiterführenden Links:

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