B2B Marketing und Web2.0 – Eine Diplomarbeit

Ein Student aus Österreich hat mir im Rahmen seiner Diplomarbeit ein paar Fragen gestellt, um den Bezug zur Praxis in sein Werk einbringen zu können.

Da die Fragen umfangreicher sind (und für andere Leser vielleicht ebenfalls von Interesse), habe ich die Antworten gleich zu einem wöchentlichen Artikel ausgebaut.

Rolle des Produktmanagement“

Frage – Es gibt in vielen B2B Unternehmen den Trend, Marketingbudgets zu kürzen. Wie sehen Sie heute die Rolle eines Produktmanagers?

In →10 most valuable corporate jobs listen die CBS News das Produktmanagement hinsichtlich seiner Bedeutung gleich hinter dem General Manager, und begründen diese Platzierung damit, daß dem Produktmanagement eine hohe Bedeutung beikommt beim Entwerfen neuer Produkte:

4. Product manager. I know a lot of you think engineers are responsible for inventing great products that beat the competition. They’re not. As venture capitalist and former Intel exec Bill Davidow wrote in his seminal book „Marketing High Technology,“ „Marketing must invent complete products and drive them to commanding positions in defensible market segments.“ Product marketers rarely get the credit they deserve.

Unabhängig von meiner eigenen beruflichen Prägung, halte ich diese Einschätzung nicht für abwegig, da die Mitarbeiter im Produktmanagement quasi die einzigen Augen und Ohren für die Organisation sind, was die Umsetzung von Kundenwünschen in Produkte angeht.

Sie sind zudem die einzige Mitarbeitergruppe innerhalb der Entwicklung, die mit einer wichtigen Orientierung am Kunden arbeitet, die andere Mitarbeitergruppen nicht beisteuern können. Dies sieht man, wenn man sich die Aufgaben der benachbarten Funktionen genauer ansieht:

  • Der Sales sorgt sich normalerweise um die Kundenaufträge, d.h. hat weniger den Nutzen aller Kunden insgesamt im Blick, sondern vielmehr den einzelnen Abschluss.
  • Das Marketing sorgt sich eher darum, daß Kunden die Vorteile eines Produktes verstehen – es kümmert sich jedoch nicht um den Entwurf der Produkte selbst.
  • Die Entwicklung und die Qualitätsicherung fokussieren sich eher auf die Umsetzung einer Produktanforderung in ein funktionierendes Gebilde, denn auf die Frage, ob die Anforderungen stimmen.

Da die meisten Strategien darauf beruhen, daß man innovative Produkte anbietet, wäre es kurzsichtig, an der Stelle Produktmanagement zu sparen – was natürlich nicht bedeutet, daß das Produktmanagement nicht immer effizienter arbeiten sollte, d.h. sich selbst verbessern.

Zusammenhang zwischen Budgets und Innovation

Frage – Können Innovationen auch ohne den Einsatz von enormen Ressourcen (Geld) vorangetrieben werden?

Vermutlich läßt sich dies nicht eindeutig beantworten und die Antwort hängt auch von der Innovation ab. Beispielsweise wird niemand annehmen können, daß man eine Innovation, wie eine Reise zum Mars umsonst bekommen wird, oder ein Produkt, wie z.B. ein iPad ohne Mitteleinsatz zu entwerfen ist. Insofern ist ein angemessenes Budget immer wichtig.

Auf der anderen Seite ist das Budget nicht alles. Zum Beispiel kann keine Firma fehlende Kreativität i.w.S. mit Geld ersetzen, und dann davon ausgehen, daß man so zu guten Produkten kommt.

Auch ist es meiner Erfahrung nach oft nicht sinnvoll, zu viele Leute in ein Entwicklungsprojekt einzubeziehen, da diese Leute sich – je nach Entwicklungsschritt – oft eher behindern,  als befruchten. Demnach ist die Idee, daß man nur viel Geld in die Hand nehmen muss, um innovative Produkte zu entwerfen, auch nicht praktikabel.

Zudem liegen viele Triebfedern der Innovation in Feldern, die vom eigentlichen Budget eher unabhängig sind (bzw nicht direkt abhängig). Wenn die Stimmung zum Beispiel schlecht ist, weil die HR Strategien falsch sind, hilft auch kein großes Budget für Innovationen, um die Firma innovativ zu machen.

Oder, wenn die Mitarbeiter nicht ausreichend trainiert sind, kann Geld alleine es auch nicht richten (außer, man investiert es in Training, dann wirkt es aber eher langfristig).

Zusammenfassen würde ich behaupten, daß finanzielle Ressourcen wichtig sind, aber eben nicht nur.

Einbindung von Web 2.0 in Marketingstrategien

Frage  – Sehen Sie die Möglichkeit als B2B Unternehmen Social Media (Blogs, Networks, Twitter…) zu nutzen & Kunden bereits vor einem Launch zu involvieren?

Generell macht es sehr viel Sinn, Kunden rechtzeitig zu involvieren. Wie will man sonst verstehen, wie Kunden arbeiten, und warum sie welche Anforderung haben. Hierbei sollte man aber vorsichtig sein, bzw intelligent vorgehen. Generell kann es Sinn machen, Social Media hierfür zu nutzen, dies muss jedoch nicht immer, und generell sinnvoll sein.

Auf der einen Seite sind „Wunschkonzerte“ immer gefährlich (einer der Gründe, warum die Fokussierung des Sales eigentlich nicht zu den Anforderungen der Produktentwicklung passt). Einmal müssen die Vorstellungen des einzelnen Kunden nicht repräsentativ sein, und zum Anderen ist es schwierig für einen Produktentwickler, von einem einmal eingeschlagenen Weg wieder abzuweichen, insbesondere, wenn Interessen dagegenstehen.

Ich persönlich halte es für sinnvoller, sich eher auf die Frage zu konzentrieren, wie Kunden arbeiten, und warum sie so arbeiten, wie sie es tun -als zu platt- Wünsche abzufragen. Die Instrumente des Social Media sind gut darin, Meinungen zu sammeln und zu gewichten. Isoliert gesehen, eignen sich aber eher weniger für die Fragestellungen, die man in der Entwicklung vor sich hat.

Ich persönlich würde Social Media (in der Entwicklung) nicht kategorisch ausschliessen, jedoch sorgsam verwenden, und zusammen mit anderen Ansätzen.

Innovative Marketingstrategien

Fragen – Gibt es Ansätze auch im Marketing innovativere Wege einzuschlagen & mit kleineren Budgets die gleiche Reichweite zu erreichen?

Ohne, daß dies mein Kerngebiet wäre (ich habe einige weiterführende Links an den Artikel angehängt von Firmen, die in der Marketing-Kommunikation arbeiten), kommt es in meiner Wahrnehmung bei vielen Firmen auf „Glaubwürdigkeit“ an, und auch auf „Sichtbarkeit“.

Früher (vor dem Internet) waren kleinen Firmen viele Möglichkeiten versperrt, da ihnen die Mittel für teure Kampagnen gefehlt haben. Heute ist es möglich, mit Hilfe von Blogs und ähnlichen Vehikeln die relevanten Kompetenzen sichtbar zu machen, ohne hierfür viel Geld investieren zu müssen.

Wenn eine Firma die Klaviatur des Social Web richtig zu bedienen weiß, kann heutzutage auch ein kleines Unternehmen mit witzig gemachten (aber nicht unbedingt teuren) Ansätzen eine große Reichweite erzielen.

Beides spricht dafür, daß Social Media gerade für die Marketing-Kommunikation Raum für pfiffige Innovationen bietet, die nicht unbedingt große Budgets erfordern.

Kann Social Media ein Allheilmittel sein

Frage – Glaube Sie dass Social Media als Allheilmittel für B2B gesehen werden kann oder sollten Unternehmen ganz genau hinterfragen (Philosophie, Ressourcen…), ob der Einsatz Sinn macht?

Heutzutage kommt vermutlich kein Unternehmen um das Social Web herum, obwohl ich neulich erstaunt gelesen habe, daß viele – gerade – kleine Firmen nicht einmal eine Website haben, d.h. es Ausnahmen von der Regel gibt.

Meiner Erfahrung nach ist es aber besser, kein Social Media zu betreiben, als es halbherzig zu machen, oder auch aus falschem Antrieb, oder mit zuwenig Kapazität.

Insofern bin ich schon der Meinung, dass jede Firma sich bereits zu Beginn genau über die eigene  Social Media Strategie im Klaren werden muss, und diese Strategie dann auch richtig umsetzen sollte.

Social Media in der Produktentwicklung

Frage – Skizzieren Sie bitte die Möglichkeit eines best Practice Exempels wie der Einsatz von Social Media von der Produktentwicklung bis zur Vermarktung für B2B Unternehmen Sinn machen könnte.

Eine richtig ausgearbeitete Antwort wäre sicher schon einen eigenen Artikel wert, wenn nicht sogar ein Buch, insofern belasse ich es bei einem subjektiven Beispiel.

Mir persönlich gefällt zum Beispiel das Auftreten der Firma →Adobe im Social Web sehr gut. Auch die größte europäische Softwarefirma, SAP (→www.SAP.com) ist auf diesem Gebiet schon mehrfach ausgezeichnet worden, und fiele mir hier noch ein. Im kleineren Maßstab gefällt mir auch das Auftreten der US Firma →Pragmatic Marketing.

Allen diesen Firmen ist gemein, dass sie mehrere Elemente des Social Web benutzen. Beispielsweise liefern alle diese Firmen regelmäßig Inhalte an potentielle Leser, und involvieren die Interessenten in einen Dialog, der weit über das hinausgeht, was man normalerweise im Vertriebsprozess kennt.

Beispielsweise veranstaltet Adobe regelmäßig Workshops in denen man die Produkte zeigt. Auf der anderen Seite entwickelt man viele Produkte über einen offenen Ansatz, und schafft sich so eine Interessentengruppen, die man zum Beispiel befragen kann, um die Meinung zu neuen Produkten zu kommen. Letztendlich werden engagierte Nutzer ggfs später auch Kunden, und dort schließt sich der Kreis wieder.

Für mich zeigen diese Beispiele, daß soziale Medien dann gut eingesetzt werden, wenn sie darauf ausgerichtet sind, langfristigen Mehrwert für die Gemeinschaft zu schaffen (und nicht als Vertriebskanal missverstanden werden).

Weiterführende Informationen

Das Original dieses Artikels ist auf Der Produktmanager erschienen (©Andreas Rudolph). Regelmäßige Artikel gibt es über die (→Mailingliste), oder indem Sie →mir auf Twitter folgen. In der Online Version finden Sie hier die versprochenen weiterführenden Links:

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