Wie man ein Imperium verliert – Disruptive Innovation am Beispiel erklärt

Ich bin zwar kein Experte im Bereich Smartphones/ Handies. Trotzdem finden auf diesem Markt Änderungen statt, die aus der generellen Sicht interessant sind.

Noch vor wenigen Jahren war die Firma Research in Motion (RIM) das Synonym für Geschäftshandies. Beginnend mit der Ankündigung der Smartphones hat ein Abstieg stattgefunden, der immer bedrohlichere Ausmaße annimmt.

Neulich ist eine längere Studie erschienen, die genug Stoff für eine detaillierte Handlungsanleitung bietet.

RIM – Aufstieg und Niedergang

Der Artikel →Research, no motion: How the BlackBerry CEOs lost an empire geht auf mehren Seiten sowohl auf den Aufstieg, wie auch auf den Niedergang von Research in Motion ein.

Lagebeurteilung

Die gegenwärtig Lage wird im Vorspann zusammengefasst, und kann nur als düster bezeichnet werden:

Research In Motion, whose BlackBerry phones pioneered wireless email, no longer holds the commanding heights in the smartphone market. With Android, iOS, and even Windows Phone gaining market share, the Waterloo, Ontario, company finds itself in a battle for relevancy. The past year has been especially hard on the once-innovative RIM, but it may be at a turning point. Or the beginning of the end.

Besonders wichtig für den Verlauf von RIM’s Geschichte ist, daß die Firma von technisch orientierten Personen gegründet und an die Spitze des Marktes geführt worden ist.

Grundwerte

Dabei hat, das, was man normalerweise unter „Marketingorientierung“ versteht offenbar nie einen großen Stellenwert eingenommen, sondern RIM begriff die Welt aus technischer Richtung. Hier der passende Schlüsselsatz aus dem Artikel:

By trying to chase customers, as Lazaridis saw it, the marketing department had hamstrung its engineers. Rather than doing cutting-edge work, those best and brightest had to simplify their products for the perceived needs of consumers.

Bekanntlich wurde RIM durch Apple herausgefordert, und hat es aufgrund seiner Grundhaltung lange übersehen, wie real die Bedrohung durch die neue Gerätekategorie ist, und hat so viel Zeit verloren.

Der folgende Schlüsselsatz erklärt den Unterschied zwischen beiden Unternehmen:

The differences went deeper than just strategy. Apple was at its core a consumer electronics company headed by a non-engineer; RIM a wireless technology company founded by an electrical engineer. Lazaridis believed in quantification, in the rational world of numbers and formulae. „One of the things that we’ve really internalized here at RIM,“ he often explained, „is the belief in the numbers, belief in mathematics, belief in the limits imposed by physics, and the general understanding of physics. If you don’t understand the limitations you can’t design something that works well within those limitations.“

So in thinking about smartphone design, Lazaridis and his company thought about limits. There was the size limit: the phone had to be small enough to be portable, but large enough to be usable. There was the battery life limit: a dead device is a useless device. And finally, there was the bandwidth limit: Lazaridis believed in conserving bandwidth to enable networks to scale. Too many bandwidth-hogging devices would bog down the network …

Grundannahmen

RIM’s Haltung, daß die Welt aus Limitationen besteht, hat auch einen Einfuss auf das Design und die Features der Geräte gehabt.

Apple hat demgegenüber genau diese Glaubensgrundsätze außer Kraft gesetzt, und konnte ein vollkommen neues Model entwickeln, das unbehelligt die Marktführerschaft übernehmen konnte:

RIM designed its phones within limits, and its conservative designs had their appeal. Size and battery life appealed to road warrior professionals using the devices; low bandwidth usage appealed to the people who managed the devices, and to the telecom carriers. Apple ignored RIM’s self-imposed limitations, producing an iPhone with less than stellar battery life that (eventually) gobbled up bandwidth. Network utilization was the carriers‘ problem, not Apple’s, and it bet customers would tolerate a short battery life because the phone could do so much.

Weitere Fehler

Wie Sie im referenzierten Artikel lesen können, hat RIM weitere Handlungen unterlassen, oder blinde Flecke kultiviert; ganz, wie man es aus der Theorie der disruptiven Innovationen kennt. Ich will es aber hierbei belassen, und mich der Frage zuwenden wie ich die Erfahrungen in die Produktentwicklung übersetzen lassen.

Wettbewerbsstrategie

Produktentwicklung

In einer der ersten Phasen des Produktentwicklungsprozesses stehen normalerweise die Kundenanforderungen im Fokus der Betrachtung. In der Spezifikationsphase versucht man nun ein passendes Produkt zu entwerfen, das diese Anforderungen abdeckt, oder besser noch übertrifft.

Bereits in dieser Phase kann man viele Fehler machen. Zum Beispiel passiert es einem leicht, daß entweder man die Anforderungen falsch versteht, oder, daß die Nutzer ihre Anforderungen nicht ausreichend artikulieren konnten.

In der Praxis gibt es mehrere Entwicklungsmodelle, die alle mehr oder weniger gut geeignet sind, die üblichen Fallstricke zu vermeiden. Beispielsweise kann man erste Produktentwürfe mit Fokusgruppen besprechen, oder man kann wie in der Design Thinking Methode vorgesehen, die Nutzer in den Entwurfsprozess miteinbeziehen.

Mit diesen Methoden kann man zwar gute Produkte entwickeln, nur reichen sie nicht aus, um die Probleme zu vermeiden, in die RIM gelaufen ist, da diese sich teilweise auf der Ebene des Geschäftsmodells abgespielt haben.

Business Model Design

Im Rahmen der Produktentwicklung sollte der Fokus nicht nur auf der Hardware liegen, sondern auch auf den Parametern, die sich aus dem Geschäftsmodell ergeben. Man sollte zudem auch bereit und in der Lage sein, Limitationen aufzuheben, die sich aus diesem Modell ergeben.

Um ein Beispiel zu geben: RIM hat ein eigenes Mobilfunknetz betrieben, und hat aus dieser Blickrichtung die Entscheidung getroffen, daß Geräte nur wenig Bandbreite nutzen sollten. Diese Entscheidung hat wiederum die Geräteform weitgehend mitbestimmt.

Apple hat mit dem iPhone demgegenüber einen anderen Weg beschritten, und hat diese Imitation außer Kraft gesetzt. Hiermit wurde eine vollkommen andere Geräteform möglich. Darüberhinaus hatte RIM kaum Möglichkeiten, hierauf zu reagieren.

Um bei diesem Beispiel zu bleiben; Ein strategisches Produktmanagement sollte das Produkt konstant auf selbstdefinierte Limitiation hin überprüfen, und sollte diese zur Not außer Kraft setzen. Dies setzt einmal voraus, daß sich das Unternehmen die Fähigkeit behält, das Denken zu ändern. Dies setzt aber auch voraus, daß man das Produkt weiter definiert, als man dies gemeinhin tut.

Gutes Design und Innovative Produkte

Ein gutes Produktdesign legt davon, daß jedem Systemelement eine exakte Funktion zugewiesen wird, die es anschliessend perfekt ausfüllen sollte. Diese Funktion sollte sich nahtlos in die übergeordnete Funktion einordnen, und so zu einem Gesamtdesign beitragen.

Ein gutes Produkt muß in jeder der oben genannten Ebenen punkten, d.h sowohl bei der Hardware, als auch dem Geschäftsmodell, und kann daher nur als Einheit gesehen werden, bestehend aus Hardware, Software, Nutzungserfahrungen, etc.

Hierbei habe ich die besten Erfahrungen damit gemacht, daß ich mir Produkte aus unterschiedlichen Winkeln anschaue, und dabei versuche, die Grundannahmen zu variieren.

Getreu dem Motto des heutigen Bildes „Make me Burn“ interessiert mich das Gesamtkonzept, das so aussehen sollte, daß es mich insgesamt und in Teilen anspricht – unabhängig von den eigenen Denkmustern.

Wie der anliegende Artikel →Neue Statistiken belegen: KMU sind innovativer als bislang angenommen zeigt, haben hierbei auch und gerade kleine Unternehmen Stärken, wie aufgrund von Änderungen in der Statistik kürzlich sichtbar wurde.

Aus der Studie des IfM Bonn geht hervor, dass nicht-technologische Innovationen überproportional häufig vom Mittelstand hervorgebracht werden. Zieht man beide Innovationsformen in Betracht, so steigt die Innovationsbeteiligung der KMU deutlich: 78 % der Unternehmen mit 10 bis 49 und 84 % der Unternehmen mit 50 bis 249 Beschäftigten beteiligen sich am Innovationsprozess.

Weiterführende Informationen

… im Internet

Im Internet finden Sie folgende weiterführende Artikel:

… auf www.Produkt-Manager.net

In meinen älteren Artikeln finden Sie weiterführende Informationen zum heutigen Thema:

Kontakt

Das Original dieses Artikels ist auf Der Produktmanager erschienen (©Andreas Rudolph). Regelmäßige Artikel gibt es über die (→Mailingliste), oder indem Sie →mir auf Twitter folgen. In der Online Version finden Sie hier die versprochenen weiterführenden Links:

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