Noch vor einigen Jahren war Nokia der unbestrittene Marktführer im Bereich „Mobiles Telefonieren“. Dies hat sich relativ schlagartig gewandelt, als Apple mit seinem iPhone herausgekommen ist.
Nokia hat in der Folge der Produktvorstellung des iPhones relativ schnell seine Marktführerschaft verloren.
Während meines Urlaubes habe ich ein Interview mit dem CEO von Nokia gelesen, in dem ein paar interessante Erkenntnisse aufgeführt sind. Sie beantworten die Frage, wie es zu dieser Entwicklung kommen konnte.
Die Erkenntnisse sind aus der Sicht des strategischen Produktmanagements sehr interessant, und daher eine Erwähnung wert.
Der eigentliche Artikel → Nokia: Ideen für Touchscreen-Smartphone und -Tablet schon Ende der 1990er, sowie das Original →Nokia’s Bad Call on Smartphones sind etwas länger. Aus meiner Sicht, sind die folgenden Aussagen besonders wichtig, für alle diejenigen die analoge Fehler bei sich im Unternehmen vermeiden wollen.
Nokia hat über lange Zeit sehr viel Geld in die Forschung und Entwicklung investiert – an mangelnden Ideen kann der Abstieg also nicht gelegen haben.
When Mr. Elop took over as CEO in 2010 Nokia was spending €5 billion a year on R&D—30% of the mobile phone industry’s total, according to Bernstein research. Yet it remained far from launching a legitimate competitor to the iPhone.
Im Gegenteil, Nokia hatte schon sehr früh ein Telefon entwickelt, das es mit den Produkten hätte aufnehmen können, mit denen Apple dann später erfolgreich wurde:
Dabei hätte die Geschichte ganz anders laufen können: Schon Ende der 1990er hatten die Finnen Produkte entwickelt, die dem iPhone und sogar dem iPad ähneln.
Anscheinend hatte Nokia aber Probleme mit der Umsetzung seiner eigenen Ideen. So sagt der CEO eines Partnerunternehmens in Prinzip aus, dass Nokia neue Ideen viel zu lange evaluiert hat, und dabei viel zu wenig an die pragmatische Umsetzung gedacht hat:
„What struck me when we started working with Nokia back in 2008 was how Nokia spent much more time than other device makers just strategizing,“ Qualcomm Chief Executive Paul Jacobs said. „We would present Nokia with a new technology that to us would seem as a big opportunity. Instead of just diving into this opportunity, Nokia would spend a long time, maybe six to nine months, just assessing the opportunity. And by that time the opportunity often just went away.“
Diesen Eindruck bestätigt ein ehemaliger Angestellter. Dieser deutet an, dass der Grund in der komplexen Organisationsstruktur zu suchen war:
„You were spending more time fighting politics than doing design,“ said Alastair Curtis, Nokia’s chief designer from 2006 to 2009. The organizational structure was so convoluted, he added, that „it was hard for the team to drive through a coherent, consistent, beautiful experience.“
Das folgende Beispiel aus der betrieblichen Praxis bei Nokia zeigt die Auswirkungen der komplexen Struktur deutlich auf:
In 2010, for instance, Nokia was hashing out some details of software that would make it easier for outside programmers to write applications that could work on any Nokia smartphone.
At some companies, such decisions might be made around a conference table. In Nokia’s case, the meeting involved gathering about 100 engineers and product managers from offices as far-flung as Massachusetts and China in a hotel ballroom in Mainz, Germany, two people who attended the meeting recall.
Für mich lassen sich drei Lehren aus dem Interview ziehen – Überall benötigt die Lösung das Buy-In des Topmanagements. Daher läßt sich keines dieser Problembereiche auf der untersten Ebene lösen, auch wenn diese Bereiche dort unmittelbar sichtbar werden.
In Organisationen, die nach dem Wasserfallprinzip arbeiten, sind die Verantwortlichkeiten über verschiedene Abteilungen verteilt. Gerade größere Entwicklungsvorhaben betreffen oft verschiedene Abteilungen, und Verantwortungsbereiche. Bei manchen Fragen wollen, oder müssen deshalb viele Leute mitreden.
Das Interview zeigt für mich deutlich, wie wichtig eine agile Struktur auch und gerade für ein erfolgreiches Produktmanagement ist.
In einer agilen Organisationen macht man einzelne Teams für komplette Projekte/Produkte verantwortlich, und bündelt so die Entscheidungsbefugnis dort wo sie hin gehört. Wo in einer herkömmlichen Organisation Meetings mit 100 Teilnehmern notwendig waren, um eine Entscheidung zu treffen, ist in einer agilen Organisation ein/wenige kleine(s) Team(s) ausreichend.
Ein wichtiger Beitrag, den ein Produktmanagement bieten kann, ist die Produktspezifikation (und die damit zusammenhängende Requirementsphase).
Die zweite wichtige Erkenntnis aus dem Interview ist für mich, daß man es mit der Spezifikationsphase jedoch nicht übertreiben sollte. Statt wochenlang Strategien zu entwickeln, sollte man viel mehr einen iterativen Ansatz benutzen, der in etwa aus den folgenden Elementen besteht, die in Form eines Kreislaufs durchlaufen werden:
Eine weitere Lehre aus dem Interview liegt auf der Hand: Man sollte darauf achten, Partner und Kunden mit einzubeziehen, auch und gerade, wenn es um Fragen geht, die ebendiese Gruppen betreffen.
Im Internet finden Sie weiterführende Artikel:
In meinem Blog finden Sie ebenfalls weiterführende Artikel:
Das Original dieses Artikels ist auf →Der Produktmanager erschienen (©Andreas Rudolph). Regelmäßige Artikel gibt es über die (→Mailingliste), oder indem Sie →mir auf Twitter folgen. In der Online Version finden Sie hier die versprochenen weiterführenden Links: