Neulich hat der Anbieter einer App, die er im Apple Store vertreibt, Angaben zu seinem Umsatz gemacht. Dies ist eine gute Gelegenheit kurz auf die Grundzüge der Preisfestsetzung einzugehen.
Das Thema Preisfestsetzung selbst gehört (in großen Unternehmen) nicht zwangsläufig zu den Themen des Produktmanagement. Jedoch liefern wir viele Eingangsinformationen für die Preispolitik, wie zum Beispiel das Produkt selbst, oder das Positioning. Insofern sollten wir uns mit dem Thema auskennen.
Der Artikel um den es hier geht ist aber auch aus einem anderen Grund interessant. Er beleuchtet nämlich eine Besonderheit des Internet, bzw der Software generell. Dort entfallen die sonst üblichen Kosten pro Einheit, was manche Leute dazu verleitet, anzunehmen, die Betriebswirtschaft würde sich ändern (was aber nicht stimmt).
(Noch ein weiterer Hinweis betrifft, das Foto, das ich für diesen Post gewählt habe. Dabei handelt es sich um Schiller’s Wohnhaus, das sich in Fußentfernung zu Goethe’s Haus in Erfurt befindet – unscheinbar, doch bedeutend.)
Artikel →App Store: Preissenkung führt nicht zu Gewinnverlust (MacNotes.de) berichtet über die Erfahrungen, die ein Softwareanbieterr mit Preisänderungen für seine Apps im iTunes App-Store gemacht hat.
Der Artikel stellt im Wesentlichen fest, daß eine Preissenkung zu einer kurzfristigen Nachfragesteigerung und zu „Mehrgewinn“ führt, dieser „Mehrgewinn“ aber relativ schnell wieder auf das Niveau vor der Preisänderung zurückfällt, mit dem einzigen Unterschied, daß nun mehr Kunden als vorher sein Produkt verwenden. Die Schlussfolgerung lautet: Der Preis hat keinen Einfluss auf den Gewinn.
Er sinniert auf seinem eigenen Blog auf englisch zum Thema weiter (siehe →Revenue X auf Google +), und gibt folgenden für ihn unerwarteten Sachverhalt an:
No matter what price we choose, we always make the same revenue.
I attached two charts to illustrate that. I recently lowered the price of the iPad app … from 5 to 1 Dollars. At first the sales spike, then they even out to previous levels. Meaning: By cutting the price by factor 5, I am selling exactly 5 x more apps.
Then we lowered the price of iA Writer for Mac… from 10 to 5 Dollars. And the exact same thing happened. There was a short initial spike, then the curve fattened out to previous revenue levels. We cut the price in half and are now selling 2 x more apps. The same happened when we lowered to price from $17.50 to $10.
What I expected was that at a certain point the price change would impact the sales profit positively or negatively but it never did.
Zunächst fällt auf, daß die Übersetzung davon spricht, daß der „Gewinn“ sich nicht verändert. In den jeweiligen Grafiken wird aber der „Sales Revenue“ gezeigt, d.h. der Umsatz. Grundsätzlich kann daher festgehalten werden, daß die Ertragslage im Dunklen bleibt, d.h. mit den gezeigten Daten kein Rückschluss auf den Gewinn möglich ist, sondern nur auf eine seiner Eingangsgrößen.
Weiterhin fällt auf, daß der Artikel den eigenen Umsatz zeigt, jedoch keine Angaben zu Markt und Wettbewerb gemacht werden. Damit fehlt -wie wir später sehen- eine wichtige Rahmenbedingung (das Marktvolumen für das jeweilige Produkt), um beurteilen zu können, was sich im Zusammenhang mit einer Preisänderung abspielt, und warum das beobachtete Ergebnis eintritt.
Software unterscheidet sich von Hardware in einem wichtigen Merkmal: Man benötigt hohe Investitionen, um sie zu entwickeln, die Kosten sind jedoch dann (fast) unabhängig von der Menge. Insofern kann ein Softwarehersteller die gemachte Rechnung aufstellen, die da heißt, daß die „Absatzmenge“ egal ist, solange derselbe Gesamtumsatz entsteht. Ein Hardwarehersteller müßte den Einfluss der Stückkosten auf den Gewinn berücksichtigen, und würde deshalb einen Zusammenhang zwischen Menge, Kosten und Gewinn sehen.
Die betriebswirtschaftlichen Vorgänge hinter den gezeigten Daten lassen sich anhand der Preis-Absatz Funktion besser verstehen. Aus diesem Verständnis läßt sich eine eigene Preisstrategie ableiten.
Im Wirtschaftslexikon Gabler haben ich eine relativ detaillierte Erklärung der Preisabsatz-Kurve gefunden (siehe →Preisabsatzfunktion – Detaillierte Erläuterung).
Bereits die einfache Preisabsatzkurve für ein Ein-Produktmonopol zeigt, daß es für jedes Produkt eine definierte Beziehung zwischen Preis und Menge gibt. Normalerweise führt ein hoher Preis zu einer geringen Absatzmenge, und ein niedriger Preis zu einer hohen Absatzmenge. Der Umsatz (Preis * Menge) für zwei unterschiedliche Preise kann demnach durchaus so verlaufen, wie der App Anbieter für sich feststellt (d.h. konstant bleiben).
Normalerweise ergibt sich der Umsatz in einem realen Markt auch aus den Aktionen des Wettbewerbs. Wenn zum Beispiel der eine Hersteller den Preis senkt, führt dies zu einer Änderung der Umsätze beim Wettbewerber. Wenn der Wettbewerber nun wiederum die Preise anpasst, verändert sich auch der Umsatz beim ersten Anbieter. Daher kann es durchaus passieren, daß der Gesamtumsatz steigt, sobald man den Preis mindert, sich dieser Effekt aber abflacht (wie beobachtet).
Weitere Gründe für ein solches Verhalten könnten die Kundenpräferenzen sein. Während Kunden bei dem einem Hersteller kaufen, der teurer ist, als der andere Hersteller ist, weil sie das Produkt hoch bewerten, kann es sein, daß sie ihr Verhalten schlagartig ändern, wenn der billigere Anbieter teurer (!) wird. Dies kann zum Beispiel sein wenn sie „exklusive“ Produkte wollen, und das Produkt anders bewerten als zuvor (weil es einen exklusiveren Preis hat).
Wie genau die Anpassung abläuft, kann man sich aus den Preis-Absatzkurven herleiten, die das Marktverhalten in den unterschiedlichen Markttypen zeigen. So gibt es zum Beispiel Preisabsatzfunktionen im heterogenen Dypol, oder solche in monopolistischen Märkten (siehe Gabler).
Um die Preisbewegungen richtig beurteilen zu können, und um zu einer eigenen Preisstrategie zu kommen, benötigt man neben den Angaben zum eigenen Umsatz auch Angaben zu den Preisen und ggfs Mengen des Wettbewerbs. Hier liegen dazu keine Daten vor, insofern kann man nicht erklären, warum sich der Gesamtgewinn in dem obigen Beispiel nicht ändert.
Der Anbieter der App, um die es hier geht, beobachtet einige Zusammenhänge durchaus zutreffend. Allerdings ist er noch weit davon entfernt, die Thematik Preisfestsetzung strategisch zu betrachten.
Um strategisch vorzugehen müßte er seinen Markt genauer kennen, und er müßte die Kundenpräferenzen besser einschätzen können. Bereits mit diesen beiden Daten könnte er besser verstehen, welchen Preisbereich er wählen kann, in dem Kunden das Produkt kaufen, der Wettbewerb jedoch nicht auf Preisänderungen reagiert. Hiermit könnte er beginnen, einen optimalen Punkt zu finden.
Fazit: Preis und Gewinn hängen doch zusammen, nur anders als gedacht.
Hier finden Sie weiterführende Informationen zum heutigen Thema im Internet:
In meinen älteren Artikeln finden Sie weiterführende Informationen zum heutigen Thema:
Das Original dieses Artikels ist auf →Der Produktmanager erschienen (©Andreas Rudolph). Regelmäßige Artikel gibt es über die (→Mailingliste), oder indem Sie →mir auf Twitter folgen. In der Online Version finden Sie hier die versprochenen weiterführenden Links: