Neulich ging es an anderer Stelle um die Frage, ob man aus der Erfahrung der Firma Polaroid etwas für das Produkt Management lernen kann. Ich habe bereits früher über die Gründe geschrieben, die zum Niedergang von Polaroid geführt haben, und denke, daß es sich lohnt, wenn man sich die Gründe nochmal vergegenwärtigt.
Letztendlich kann man dort das Resultat unternehmerischen Versagens, Fehler im Produktmanagement, gepaart mit krimineller Energie „bewundern“.
Wir errinnern uns sicher Alle an die Firma Polaroid, die sehr innovative Produkte (Filme und Sofortbildkameras) hergestellt hat, und lange Zeit finanziell sehr erfolgreich war. Die Filme und damit Polaroid gingen auf eine Erfindung aus dem Jahre 1943 zurück. Damals hat der Physiker Edwin Herbert Land sensationelle Filme entwickelt, die binnen Minuten zu fertigentwickelten Fotos geführt haben.
Die Firma ist lange sehr erfolgreich gewesen. Polaroid ist dann aber bereits in den 1980iger Jahren ins Straucheln geraten, und hat im Jahre 2001 erstmals Insolvenz angemeldet. Trotz ordentlicher Margen wurde die Produktion von Sofortbildkameras und Filmen in 2008 eingestellt. Anschliessend hat die Firma das zweite und letzte mal Konkurs angemeldet. Die Überbleibsel wurden Anfang 2009 von einem Joint Venture der Firmen Hilco und Gordon Brothers aufgekauft. Der letzte Vorbesitzer befindet sich wegen Betrugs im Gefängnis (er soll mit einem Schneeballsystem Anleger betrogen haben).
Zwischenzeitlich werden mit den alten Maschinen, und einer neuentwickelten chemischen Formel wieder Sofortbildfilme hergestellt, insbesondere auch, weil diese Technologie noch eine sehr große Fangemeinde hat, und weil sich die Anmutung der Fotos digital nicht erzeugen läßt.
Polaroid’s eigentlicher Niedergang begann im Jahre 1976, als Kodak eine Konkurrenzkamera auf den Markt brachtet, die zu einem Verfall der Preise geführt hat. Später kamen Produktflops hinzu. Auch setzte das Aufkommen von Keinbildkameras und Schnell-Entwicklungslaboren Polaroid schwer zu. Polaroid konnte Kodak zwar in einer Patentstreitigkeit besiegen, und erhielt eine größere Entschädigung aus dieser Streitigkeit. Leider gelang es Polaroid trotz dieser Finanzspritze nicht, erfolgreiche Produkte auf den Markt zu bringen.
Wenn Sie mehr über die Geschichte wissen wollen, empfehle ich Ihnen den folgenden Artikel der Zeitschrift BrandEins aus 06-2009 → Alles im weißen Rahmen (Am Ende).
An gleicher Stelle finden Sie auch Informationen über die Wiederbelebung der Firma, die damals in Angriff genommen wurde. Und zwar haben sich Enthusiasten dem Ziel verschrieben, das analogste Fotoprodukt aller Zeiten wiederzubeleben. Soweit es sich heute (2011) sagen läßt, ist ihnen das auch gelungen. Polaroidfilme basierend auf einer geänderten Chemie werden wieder angeboten.
Bereits an früherer Stelle habe ich die Analyse → Why Some Technical Decisions Are Too Important to Leave to Engineers der University of Cambridge behandelt, die sich ebenfalls dem Thema Polaroid widmet (siehe Weiterführende Informationen weiter unten). In dieser Studie wird argumentiert, daß auch einige unbedarft getroffene technische Entscheidungen zu größeren strategischen Problemen geführt haben.
So hat Polaroid wohl mit einer Entscheidung das Interface zwischen Negativ und Positiv zu ändern, und einen neuen Film zu definieren, letztendlich einen ungesunden Wettbewerb mit Kodak ausgelöst. Auch mußte man durch die neue Filmtechnologie andere Stromquellen einsetzen. Im Endeffekt war Polaroid der größte Hersteller vom Batterien weltweit, ohne richtig kompetent dafür zu sein.
Polaroid gibt uns mehrere Lehren mit auf den Weg. Einige davon möchte ich kurz zusammenfassen.
Polaroid war schon immer sehr techniklastig, und, wie es sich gezeigt hat, eigentlich sogar zu techniklastig. Aufrund der oben erwähnten grundlegenden Fehler in der wirtschaftlichen und strategischen Beurteilung der Technologien (Batterien, Filme, etc), ist die Firma quasi unbeabsichtigt, und unkontrolliert in strategische Probleme gelaufen.
Ob es nun an fehlendem Produktmangement, oder an Fehlern in der Durchführung gelegen hat, fest steht, daß es wichtig ist, technologische Entwicklungen auch aus strategischer Blickrichtung zu prüfen. Technische Machbarkeit, und „Kundenwunsch“ darf auf keinem Fall reichen.
… auf disruptive technologische Herausforderungen.
Wie der BrandEins Artikel erläutert, hat es das Management wissentlich abgelehnt nach hybriden Vertriebsmodellen zu suchen, als damals das Internet aufkam, und das Geschäftsmodell unter Druck geriet. Wie es sich jetzt herausstellt, hätte die Marke hätte sehr wohl eine eigene Nische besitzen können neben der digitalen Fotografie – hätte man sie entwickelt.
Dahinter steht ein generelles Problem, das Marktführer haben, die mit disruptiven Bedrohungen umgehen wollen. Diese Hersteller haben oft sehr anspruchsvolle Kunden, und erzielen eine hohe Gewinnspanne. Wenn diese Firmen neu aufkommende, disruptive Technologien anbieten würden, würde dies für sie bedeuten, daß sie
Da sich ein solcher Schwenk intern nur sehr schwer umsetzen läßt, versäumt es das Management im Vollbesitz der geistigen Kräfte auf eine Bedrohung zu reagieren.
Eine Firma, wo dieser Schwenk gerade noch gelungen ist, ist die Firma Loewe, die damals die Röhrenfernseher aufgegeben hat, um voll in die LCD Technik umzuschwenken. Solche Beispiele sind aber selten.
Wie ebenfalls in dem zitierten BrandEins Artikel nachzulesen ist, ist Polaroid auch deshalb gescheitert, weil Produktflops entwickelt wurden. Folgendes Zitat zeigt sehr anschaulich, daß es sich eigentlich um vermeidbare Fehler in den Anforderungen handelt, nach denen entwickelt wurde:
„Zugleich leistete sich Land seinen größten Fehler: Die Schmalfilm-Kamera Polavision floppte. Das Gerät konnte weder einen Ton aufzeichnen, noch ließen sich die Bänder schneiden.“
Ich meine, daß hier mehrere Dinge zusammenkommen, die man generell im Auge behalten sollte:
Ein weiteres Problemfeld kann man auch unter dem Gesichtspunkt „Unternehmensvision“ zusammenfassen. Wie der BrandEins Artikel ausführt, hat Polaroid einen fundamentalen Produktschwenk durchgeführt, der eigentlich garnicht zu dem Unternehmen gepaßt hat, und dies intern, wie extern:
Der Ex-Black-&-Decker-Manager verwandelte die Erfinderschmiede in einen Konsumgüterhersteller und finanzierte Kuriositäten wie die I-Zone-Kamera, die briefmarkengroße Bilder zum Aufkleben ausspuckte.
Wie in einem → Artikel unter Digicamhistory nachzulesen ist war Polaroid bereits früh bei der Entwicklung der Digitalkameras dabei, und hat auch eine technisch sehr interessante Kamera entwickelt:
„POLAROID 8801 HiRES STILL VIDEO CAMERA AND COMPANION PRINTER – 1988. The Polaroid HiRES still video system was capable of capturing both B&W and color still images. …The system consisted of a camera, a control unit, and a printer using Polaroid type 53 or 55 film for hard copy. … This system was unique in that is recorded sill images on VHS video tape. … The Polaroid 8801 still video system was used at the Democratic National Convention in 1988. Images were transmitted to an Associated Press electronic darkroom at the convention center and then to the AP headquarters in New York. The normal silver-halide steps of photographing, developing, and then scanning were bypassed. Instead, all images were handled electronically with the first hard copies appearing only at the receiving newspaper’s Wirephoto machine (Larish, John J. Electronic Photography. 1990. P99). Information, photos, and drawing were provided by Richard Kee who was Director, Electronic Imaging, of the group at Polaroid that developed the 8801 system.
Trotzdem ist Polaroid in der Digitaltechnik nie richtig erfolgreich gewesen. Gründe hierfür sind:
Letztendlich hat Polaroid auch den Kampf um die technischen Standards verloren – die Speicherung auf VHS Band hat sich nie durchgesetzt.
Die erste Digitalkamera für den Konsumentenmarkt wurde 1996 herausgebracht, und hatte sehr gute Spezifikationen. Trotzdem glaubte niemand bei Polaroid an den Erfolg der Digitaltechnik, bzw den Niedergang der entwickelten Fotos, und man betrieb diese Linie nur halbherzig.
In meinen älteren Artikeln finden Sie weiterführende Informationen zum heutigen Thema:
Das Original dieses Artikels ist auf →Der Produktmanager erschienen (©Andreas Rudolph). Regelmäßige Artikel gibt es über die (→Mailingliste), oder indem Sie →mir auf Twitter folgen. In der Online Version finden Sie hier die versprochenen weiterführenden Links: