Ein Verhältnis zum Produkt aufbauen

Wenn man an das Thema Innovation denkt, denkt man automatisch an neue Produkte, Erfindungen, und an die Zukunft. Es gibt aber auch Beispiele für Firmen, die mit dem gegenteiligen Ansatz erfolgreich sind: Der Besinnung auf traditionelle Werte. Genau darin kann sogar ein innovativer Ansatz verborgen sein.

Bei IT-Produkten mag ein traditionalistischer Ansatz nicht zur Gänze gelingen – trotzdem gibt es auch hier Produktelemente, bei denen es auf Bewährtes ankommt. Heute nehme ich den Artikel →Die Sehnsucht nach Handgenähtem aus der ZEIT zum Anlass, über solche Elemente nachzudenken.

Slow = Langsam

Zugegeben, es handelt sich um ein anderes Metier – trotzdem steckt ein wahrer Kern in den Leitsätzen, die uns Wiener Bekleidungshersteller vorgeben, die erfolgreich sind, und immer erfolgreicher werden. So sagt der Artikel zu der Frage, was die althergebrachten Traditionsbetriebe ausmacht:

„Sie haben überlebt, weil sie die Expertise mehrerer Generationen in der Familie weitergegeben haben“, sagt Alison Clark, eine Britin, die als Professorin für Designgeschichte an der Universität für angewandte Kunst Wien unterrichtet. Kürzlich hat sie einen Kurzfilm gedreht, der die traditionsreichen Unternehmen untersucht. Er trägt den passenden Titel „Slow“, denn nur behutsam verändert sich die Branche in Wien. Und das ist ihr großer Vorteil geworden. „Ich beobachte ein zunehmendes Interesse an solchen Firmen“, sagt Clark. „Die Menschen sind von der flüchtigen Mode unserer Tage gelangweilt, von ihrem Mangel an Intimität.“

Auf die Frage, worauf es bei einem guten Produkt ankommt, findet sich auch eine gute Idee, und gleichzeitig ein Hinweis auf die passende Organisationsform:

„Es geht darum, ein Verhältnis zu seinem Produkt aufzubauen – als Hersteller wie als Konsument. Das fällt in großen Konzernen schwer.“

Erfolgsfaktoren

Läßt sich davon etwas auf ein IT Produkt übertragen? Ich denke schon, wie dieses Kapitel zeigt!

Expertise

Wenn man sich das Beispiel der erfolgreichen Wiener Bekleidungsbetriebe zum Beispiel nehmen mag, fällt sofort auf, daß es dort sehr stark um „Expertise“ geht . In der IT gibt es mehrere Gründe, warum Expertise oft verloren geht, bzw nicht über Generationen erhalten werden kann:

  • Durch den schnellen technischen Wandel, der hier besonders ausgeprägt ist, werden neue Technologien geschaffen, dafür aber eben auch alte Technologien entwertet.
  • Wegen Arbeitslast und Featuredruck kann die Aus-, Fort- und Weiterbildung vernachlässigt werden (oder während Einsparungsrunden wird an dieser Stelle aktiv gespart)
  • Durch Reorganisationen und personelle Änderungen gehen wertvolle Mitarbeiter verloren

Um mit dem Thema umzugehen, sind sicher Maßnahmen im Personalbereich notwendig, oder bei der Arbeitsorganisation (Stichwort „Entwicklungsmethodik“). Man kann aber auch über das Produktdesign darauf hinwirken, daß Expertise erhalten bleibt, obwohl sich das Produkt selbst weiterentwickelt.

Zum Beispiel, weil ich es gerade gelesen habe, Apple schafft regelmäßig neue mobile Produkte. Viele Konzepte bleiben jedoch erhalten. So ähneln sich zum Beispiel die Konzepte für iPad und iPhone, was eine breitere Basis für Expertisenerhalt bietet. Auch baut jede Gerätegeneration auf der Vorgängerversion auf, und wird an vielen Stellen nur schrittweise weiterentwickelt.

In der Softwareindustrie kann man ähnliche Effekte dadurch erreichen, daß man

  • modular entwickelt, was voraussetzt, dass man einen entsprechenden Aufwand in die Vorklärung legt.
  • umfangreich testet, vereinheitlicht, und Zwischenschichten in das Produkt einbaut.
  • dokumentiert, Know How Transfer betreibt, und Methoden wie das Pair Programming anwendet, bei der  zwei Entwickler zusammen an einer Codingstrecke arbeiten.
  • eine langfristig angelegte Produktstrategie verfolgt.

Slow

Manchmal ist es nicht sinnvoll, ein Produkt zu schnell, und zu grundlegend zu verändern. Genau wie bei einem guten Wein ist es notwendig, eine Software auch mal abhängen zu lassen. Wie bereits oben erwähnt, hilft dies dabei, die Expertise zu erhalten. Auf der anderen Seite ist dies auch eine sinnvolle Strategie, um Lösungen komplett zu machen, und damit besser.

Stellen Sie sich eine Basistechnologie vor, auf der weitere Software aufbaut und darauf vielleicht noch spezielle Kundenanpassungen. Wenn sich die Basistechnologie (zu schnell und zu dynamisch) ändert, ergibt sich auch Änderungsbedarf bei der übergeordneten Software, der sich auch negativ in der Qualität niederschlagen könnte.

Das Geheimnis einer guten Lösung ist es, daß sie abgerundet ist, und komplett. Dies setzt eine gewisse Konstanz voraus, und damit eine gute Strategie, und eine gezielte Vorgehensweise. Auch können Methoden, wie der ‚Good Friday‘ dafür sorgen, daß Druck aus dem Kessel abgelassen wird.

Verhältnis zum Produkt

Viele Firmen machen es den Mitarbeitern (aber auch den Kunden) nicht leicht, ein gutes Verhältnis zum Produkt aufzubauen. Um dies zu ändern sollte man Wert darauf legen, daß die Produkte sich weiterentwickeln, und zudem so gebaut werden, daß sie begeistern.

Auf einer unteren Ebene ist es aber auch sinnvoll, in Qualität und Featurekomplettheit zu investieren. Die Idee hierbei ist, daß fehlerfreie Software mehr Spaß macht, als eine fehlerbehaftete Software – insbesondere, wenn sie von Kunden eingesetzt wird, die ja dann auch Rückmeldungen geben.

Werte

Viele Menschen beginnen über die Probleme nachzudenken, vor der die Welt steht. Beispiele sind die Klimaerwärmung, oder die Ernährungssituation. Manche beginnen sogar zu handeln. Viele Menschen beobachten Vorgänge auf globaler Ebene, die sie nicht für positiv halten. Ein Beispiel hierfür ist die Finanz- und Wirtschaftskrise.

Hierdurch ändern sich auch die Werte, auch in der IT, und es läßt sich beobachten, dass Intimität, und Nachhaltigkeit wichtig werden. Um hiermit umzugehen, kann man mehrere Strategien verfolgen:

  • Das Unternehmen wertorientiert aufbauen („Corporate Citizen“)
  • Die Produktentwicklung an Werten ausrichten, wie zum Beispiel Qualität, Nutzen, Zuverlässigkeit, etc
  • Das Marketing wertorientiert ausrichten (z.B. Web2 Strategien einführen)

Weiterführende Informationen

… auf www.Produkt-Manager.net

In meinen älteren Artikeln finden Sie weiterführende Informationen zum heutigen Thema:

Kontakt

Das Original dieses Artikels ist auf Der Produktmanager erschienen (©Andreas Rudolph). Regelmäßige Artikel gibt es über die (→Mailingliste), oder indem Sie →mir auf Twitter folgen. In der Online Version finden Sie hier die versprochenen weiterführenden Links:

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