Der Tablet Markt – Lehren aus HP’s jüngster Entscheidung, auszusteigen

Vermutlich haben Sie mitbekommen, was sich neulich unter den iPad Konkurrenten getan hat. Vor wenigen Wochen erst hat sich das Wettbewerbsfeld um das iPad Handheld von Apple formiert, und den Versuch gestartet, der Firma Apple den Markt streitig zu machen.

Die Firma HP – ein großer Wettbewerber, der in dieses Segment eingestiegen war – hat neulich überraschend aufgegeben, und sich aus der Produktion seines iPad-Konkurrenten verabschiedet. Das eigens hierfür angeschaffte Betriebssystem (ehemals Palm) wird ebenfalls eingestellt. Die letzten Geräte wurden gestern für eine geringen Preis unter die Leute gebracht. Dabei war der Ansturm so groß, daß die HP Webseiten zusammengebrochen sind.

Offiziell wurde angegeben, daß die Firma HP deshalb aus dem Markt wieder ausgestiegen ist, weil der Verkauf der Geräte zu schleppend war.

Eine gute Gelegenheit, sich den Markt etwas genauer anzusehen, und sich prinzipiell zu fragen, wie man vorgehen könnte, wenn man in einem vergleichbaren Markt agiert, und gegen einen großen Wettbewerber antritt, jedoch erfolgreicher sein möchte, als es HP war.

Der Markt für Tablets – Kurzanalyse

Für alle, die die Geschichte nicht kennen

Apple hat den iPad vor noch nicht allzu langer Zeit herausgebracht, und seitdem für Furore gesorgt. Das Gerät hat eine neue Produktkategorie geschaffen, und geht seitdem weg „wie warme Semmeln“. Dabei war der Preis von Anfang an sehr günstig – Apple verzichtet hier bewußt auf die sonst hohen Margenanforderungen.

Begonnen hat der Boom bei den Privatkunden. Inzwischen finden die Geräte immer weiteren Einzug auch in industrielle Anwendungen. So haben z.B. gerade kürzlich große Fluglinien entscheiden, Ihre Crews statt mit gedruckten Handbüchern mit ebendiesen Geräten auszustatten.

Die Wettbewerber wurden von dem Gerät überrascht – so sehr, daß sie mehrere Monate benötigt haben, um überhaupt Wettbewerbsprodukte auf den Markt zu bringen. Langsam beginnen diese Produkte zu erscheinen. Allerdings ist der Marktanteil noch gering. Teilweise führt Apple auch einen Rechtsstreit mit einigen Anbietern, da sich die Lösungen ähneln.

Der iPad selbst ist nur ein Teil einer Produktfamilie. So gibt es auch iPhones, und iPod-Touch Geräte, die mit dem gleichen Betriebssystem ausgestattet sind, und die auch mit derselben Software arbeiten. Auch die Hardware ist im Prinzip ähnlich aufgebaut. Dies gilt auch für die Benutzererfahrung, und die Navigation, die sich in der Produktfamilie ähnelt.

Die erwähnte Produktfamilie, und der iPad im speziellen sind unter anderem deshalb so beliebt, da sie sich gut und einfach bedienen lassen, und weil es relativ mächtige Werkzeuge sind, die sich für die unterschiedlichstne Aufgaben einsetzen lassen.

So gibt es zum Beispiel einen App-Store in dem man nahezu unbegrenzt viele Programme kaufen kann, mit denen man die Geräte erweitern kann. Hinter diesem AppStore stehen sehr viele Entwickler, die stets daran arbeiten, den Einsatz der Geräte zu verbessern, und die Vielseitigkeit zu erhöhen. Die einzelnen Entwickler haben damit auch ein kommerzielles Interesse an Apples Erfolg.

Apple’s Position – Technisch betrachtet

Sofern man sich nur einige Aspekte herausgreift, läßt sich der Markt aus technischer Sicht wie folgt charakterisieren:

  • Das iPad findet sich im Zentrum einer großen Community von Firmen, die als eine Art Netzwerk am Markterfolg des iPad arbeiten. Strenggenommen steht damit nicht der iPad und eine Firma im Wettbewerb, sondern es handelt sich um ein dynamisches Netzwerk.
  • Der iPad wird in einer Art Plattformstrategie hergestellt. Der Entwicklungsaufwand, aber auch die Einsatzerfahrungen verteilen sich daher auf viele Schultern. Dies bedeutet, daß er auf der einen Seite günstiger entwickelt werden kann als ein Gerät, daß als Einzelgerät konzipiert ist. Auf der anderen Seite erlaubt die firmeninterne Normung die gezielte Bündelung von Marktmacht. Daher können auch die Bauteile vergleichsweise günstig eingekauft werden. Apple kann daher zu Kosten produzieren, bei denen andere Wettbewerber in der Verlustzone wären. Man gibt diese günstigen Preise direkt weiter, und schafft es so, ein gutes Produkt zu einem guten Preis anzubieten.
  • Das Gerät implementiert ein Benutzungsparadigma, das in der letzten Zeit immer wichtiger geworden ist, daß jedoch viele Hard- und Softwarehersteller übersehen haben. Auf dem Gebiet der Usability hat sich das iPad, bzw Apple eine eigene Kompetenz aufgebaut, die nicht jeder Wettbewerber problemlos nachahmen kann.
  • Die Geräte werden über eigene Läden verkauft, was es Apple auf der einen Seite erlaubt, am Kundenbedarf zu bleiben. Auf der anderen Seite handelt es sich um sehr effiziente Vertriebswege, die sich – anders als reine Zwischenhändler – auch sehr einfach strategisch führen lassen.
  • Aus Kundensicht ist das Gerät relativ zukunftssicher, da es zum Beispiel möglich ist, einmal gekaufte Apps auch auf einem Nachfolgegerät weiterzuverwenden, und weil sich das Gerät in eine Familie integriert.
  • Im industriellen Bereich sind die Enterprisefeatures inzwischen gegeben, wie die Sicherheit, die Möglichkeit, die Geräte in einer Firmenumgebung zu verwalten, Anschluss an die üblichen Mailsysteme, etc.Es spricht also nichts mehr dagegen, die iPads in Firmenumgebungen zu nutzen.
  • Die Geräte können schrittweise weiterentwickelt werden, und erlauben den Einsatz in immer weiteren Einsatzgebieten. In jedem solchen Gebiet läßt sich ein hoher Nutzen erzielen. Zum Beispiel sparen die Airlines, die das iPad verwenden sehr viel Treibstoff ein, sodaß die Lösungen für diese Airlines sich auch dann rechnen würden, wenn das iPad teurer wäre. Hiermit bekommt das Gerät einen „Werkeugcharakter“, der gerade im industriellen Bereich wichtig ist, um das Angebot zu einem Selbstläufer zu machen.

Wettbewerbsstrategien

Im Handelsblatt steht ein Kommentar, der zwar einige zutreffende Aspekte anspricht, der jedoch meiner Meinung nach zu kurz springt (siehe →Der IPad Killer ist möglich – Zum richtigen Preis)

„iPad-Konkurrenten zu iPad-Preisen liegen wie Blei in den Regalen. Möglicherweise sehen es die Käufer schlicht nicht ein, warum sie für eine Android-Copy genauso viel wie für das Original zahlen sollen, das zumal noch mit einer schönen bunten App-Welt und einem starkem Image punktet. Der erfolgreiche HP-Schlussverkauf zeigt aber auch, wie groß das Interesse an einem Tablet-Computer generell ist. Es gibt offensichtlich eine Menge potenzieller Käufer, die mit einem iPad liebäugeln, denen Apples Wundermaschine aber schlicht zu teuer ist. Das kann die gesamte Apple-Konkurrenz aus dem Touchpad-Scherbenhaufen lernen.“

Generelle Strategie

Ich denke, daß die vorgeschlagene Preisstrategie nur theoretisch funktioniert. Spätestens, wenn man die Kosten mitrechnet, wird es jedem keineren Wettbewerber schwer fallen auf Dauer billiger zu sein.

So könnte generell ein Wettbewerber versuchen – so wie HP – ein ähnliches Produkt zu entwickeln, um dies zu einem günstigeren Preis zu verkaufen. Ich glaube jedoch, daß HP mit dem Ausverkaufsangebot einen Verlust gemacht hat – das kann daher als Strategie nicht auf Dauer gut gehen. Zumindest mit funktionell gleichartigen Geräten wird es daher kaum gelingen, zu punkten indem man versucht, über den Preis zu gehen.

Sofern man anstrebt, Apple innerhalb der Produktkategorie Wettbewerb zu machen, bleibt daher die Möglichkeit, ein Gerät anzubieten, daß bestimmte Bedarfe besser abdeckt, oder man könnte mit einem neuen Gerät Bedarfe abdecken die derzeit nicht vom iPad abgedeckt werden. In beiden Fällen könnte man preislich vergleichbar sein. Die andere Alternative wäre, daß man ein schlechteres, dafür aber günstigeres Gerät herstellt.

In jedem Fall stößt ein Wettbewerber hiermit schnell auf das Problem, daß es sich beim iPad um eine Plattform handelt, hinter der ein großes Netzwerk von Unternehmen steht. Man muss also nicht nur ein Gerät bauen, sondern gleichzeitig auch ein Partnernetzwerk entwickeln, was entsprechend schwierig sein sollte.

Auch wird man vor der Frage stehen, wie man das Produkt „besser“ machen sollte was schon rein technisch nicht so einfach ist, da die Geräte gut durchdacht sind. Auch wird das Vereinfachen des Gerätes nicht so einfach sein. Hierbei sollte man auch daran denken, daß viele Teile des iPad durch Patente geschützt sind.

Generell hat Apple noch weitere Sicherungsmechanismen eingebaut, wie aus der oben angeführten technischen Beschreibung ersichtlich. Insgesamt wird es vermutlich nicht trivial sein, den bisherigen Anbieter auf seinem eigenen Feld entgegenzutreten.

Disruptive Strategie

Da sich eine generelle Strategie -wie gesehen- schwerlich umsetzbar sein wird, wäre eine andere Möglichkeit, daß sich ein Wettbewerber fragt, welche Bedarfe Apple gerade wegen seines Angebotes nicht abdecken kann. Er könnte also versuchen, eine disruptive Strategie zu implementieren. Wenn er hierbei geschickt vorgeht, könnt er sogar unter dem Radar von Apple bleiben.

Beispiele für eine disruptive Strategien wären:

  • Hier wäre es denkbar zum Beispiel den Nutzern ein Angebot zu machen, die das Produkt prinzipiell ablehnen (wegen der Geschlossenheit der Systeme, da die Plattform keine freie Konfigurierung erlaubt,…da Apple Produkte generell abgelehnt werden). Ein solches Produkt müßte analog gestaltet sein, wie auf dem vergleichbaren Handy Markt vorexerziert wird.
  • Es wäre auch denkbar, die Alternativprodukte über alternative Prinzipien aufzubauen. iPads werden über Fingerzeig per Apps bedient. Es handelt sich um Tabletts. Man könnte daher ein flexibles Gerät bauen, das analoge Aufgaben ausführt, und das über die Sprache bedient wird (ohne das iPad aufzugeben, könnte Apple schwerlich reagieren)
  • Man könnte industriespezifische Speziallösungen herausbringen, für die Apple selbst keinerlei Kompetenzen besitzt. In einer solchen Lösung würde der Alternativ iPad mitlaufen, jedoch nicht als eigene Kategorie existieren.

Egal, wie man es anstellt. Es ist nicht trivial, ein Produkt zu schaffen, das um so viel besser ist, als die vorhandenen Produkte. Um dies zu entwerfen, muß man unterschiedliche Parameter im Auge behalten, und verstehen, wie der Markt funktioniert.

Weiterführende Informationen

… im Internet

Im Internet finden Sie weiterführende Artikel

… auf www.Produkt-Manager.net

In meinen älteren Artikeln finden Sie weiterführende Informationen zum heutigen Thema:

Kontakt

Das Original dieses Artikels ist auf Der Produktmanager erschienen (©Andreas Rudolph). Regelmäßige Artikel gibt es über die (→Mailingliste), oder indem Sie →mir auf Twitter folgen. In der Online Version finden Sie hier die versprochenen weiterführenden Links:

Comments are closed.