Kommentierte Fundstücke

In der letzten Zeit haben sich wieder viele interessante Artikel auf meinem (virtuellen) Schreibtisch angesammelt. Heute möchte ich daher die Gelegenheit nutzen, Ihnen diese Fundstücke, und meine Sicht auf die Themen näher zu bringen.

Da ich in dieser Woche wohl nicht zu einem weiteren Artikel kommen werde, schreibe ich heute zu verschiedenen Themen.

Usability

Ursprünglich bin ich über einen Commodore 64 in die IT eingestiegen (Vielleicht erinnern Sie sich noch an dieses Gerät aus der Frühzeit der IT, das rauskam, bevor der PC überhaupt erfunden war). Zu dieser Zeit war mir/ war generell die Funktionalität der Software wichtig, und die Möglichkeiten, die diese Technologie uns bot. Hinsichtlich der Bedienung waren wir alle froh, wenn es kompliziert war: so konnten wir uns als Experten outen.

Inzwischen sind wie Alle anspruchsvoller und auch weiser geworden. Inzwischen geht wohl kein Produkt mehr durch, daß nicht auch noch einfach zu bedienen ist (Funktionalität wird vielfach vorausgesetzt). Damit steht die Usability technischer Produkte dort wo sie sein soll: Im Zentrum des Interesses.

Ich habe daher mit Interesse gelesen, daß in Kürze eine interessante Messe zum Thema stattfinden wird → „SECHSTER „WORLD USABILITY DAY“ IN STUTTGART: DAS LEBEN LEICHTER MACHEN„.

Usability gehört normalerweise nicht zu den Kernaufgaben im Produktmanagement – dafür gibt es eigene, ausgebildete Spezialisten – gleichwohl ist das Thema aber wichtig. Daher empfehle ich Ihnen, den Termin zumindest weiterzugeben, wenn Sie nicht sogar selbst teilnehmen werden.

Ich finde persönlich den folgenden Inhalt am interessantesten, da dahinter zwei sehr wichtige Trends stehen, die gerne vernachlässigt werden – alternde Gesellschaft und globale Produkte:

„In den Vorträgen geht es unter anderem um die Gestaltung von User Interfaces für internationale Nutzergruppen, neue Wege der Mensch- Computer-Interaktion oder um Unterschiede zwischen Älteren und Jüngeren im Umgang mit interaktiven Geräten.“

Das Ende der freien Inhalte

Das Handelsblatt ruft heute das Ende der Gratiskultur im Internet aus (→ Das Ende der Gratiskultur im Internet ist gekommen), und führt u.a als Begründung die neuen Apps an, die stattdessen z.B. über iTunes an den Leser gebracht werden.

„Eine neue Phase beginne, die an die Prinzipien der Vor-Internet-Welt anknüpfe: gutes Geld für guten Journalismus. Döpfner spricht von der „Rückkehr zur Normalität“.“

„Neue Technologien machen die Trendwende möglich. Die Medienbranche profitiert vor allem von der Einführung des mobilen Internets, das mit iPhone und Blackberry, aber auch mit iPad und weiteren Tablet-Computern neue und einfache Abrechnungssysteme hervorbrachte. Diese Endgeräte sind die Basis für sogenannte Applikationen (Apps), mit deren Hilfe Inhalte von Zeitungen, Zeitschriften und Fernsehsendern zum Kunden transportiert werden.“

Mit meinem Blog bin ich ja quasi ein Medienvertreter, der freie Inhalte im Netz anbietet, und der im wesentlichen über steigende Besucherzahlen honoriert wird. Daß hinter dem Kostenlos-Ansatz kein auf Dauer vernünftiges Geschäftsmodell stehen kann, verstehe ich sehr gut. Auch stelle ich bereits im Kleinen fest, daß es eigentlich die großen Platzhirsche sind, die mit meinen Inhalten Geld verdienen, ohne sonderlich viel dazu beizutragen – sei es nun die Firma Google, die teure Werbung dazwischenschaltet, oder sei es die Firma Amazon, die eine quasi kostenfreie Werbeplattform für Bücher hier unterhält (dafür kann ich meinen Lesern, eine Literaturliste empfehlen).

Insofern halte ich den Versuch für sinnvoll, daß die Medien Ihre Geschäftsmodelle ändern. Ich halte es im Prinzip auch für sinnvoll, daß Qualität honoriert werden sollte.

Zu Bedenken

Folgende Punkte möchte ich zu bedenken geben

  • So erfolgreich die Softwareanbieter, wie Apple, oder Google (Android) nun auch sind, es handelt sich bei Ihren Angeboten trotzdem um Nischen. Sehr viele Menschen, die ich kenne, haben die Ausstattung über einen Browser im Netz zu lesen, nur wenige besitzen jedoch ein entsprechendes Lesegerät. „Auch Apps“ anbieten, sollte daher der Weg sein.
  • Die Marktplätze für Apps definieren die Schnittstelle zum Endkunden (und lassen sich dies auch über hohe Verkaufsprovisionen entlohnen). Nur auf eine Plattform, wie iTunes zu setzen, ist daher das was man einen „engen Markt“ bezeichnet, mit allen Nachteilen, auch strategischer Art. Man sollte sich daher gedanklich auch von Technologien wie dem iPad lösen.
  • Die Ökonomie des Internet basiert zum Teil auf den freien Inhalten. Ich denke sogar, daß sich niemand auf einer Webseite aufhalten würde, wenn es dort keine guten Inhalte kostenfrei geben würde. Ohne Besucher aber kein Umsatz. Auf der anderen Seite entsteht durch diese Kultur eine Kultur des Mitmachens („Crowdsourcing“), die insgesamt ein relevanter Faktor ist, der unsere Gesellschaften weiterbingt (z.B. „Open Innovation“). Bei allen Bestrebungen, Geld zu verdienen, dürfen diese Mechanismen nicht vernachlässigt werden.

Business Models – Theoretisch

Das Theseus Projekt befasst sich mit Trends in der IT, und mit neuen Geschäftsmodellen. Ich glaube, es war Hasso Plattner, der neulich in einem Interview gesagt hat, daß wir in Deutschland zu selten über Geschäftsmodelle reden (jedenfalls im Vergleich zu den Bewohnern im Silikon Valley). Insofern wird auch er die Ansätze des Theseus Projektes begrüßen.

Auf deren Internetseite kann man sich sehr gut über die Theorie der Geschäftsmodelle informieren (→ About business models) – generell gibt es wohl unterschiedliche Ansätze, um Geschäftsmodelle aufzuzeigen.

Mir persönlich fehlt dort jedoch Information zu der viel interessanteren Frage: „Wie entwickelt man Geschäftsmodelle mit denen man in Wettbewerb bestehen kann“. Um ein Beispiel zu nennen: Jeder erfolgreiche Innovator hat es geschafft, eine Strategie zu entwickeln, die das Geschäftsmodell einer gesamten Branche umdefiniert hat. Die Frage ist doch „wie kommt er zu dieser Strategie, und warum genau zu der gewählten Strategie“?

An der Stelle spielt ernstzunehmendes Produktmanagement eine wichtige Rolle. Sie ahnen es bereits: Kundenwünsche, Technologien, Marktzusammenhänge, Geschäftsentwicklung sind letztendlich alles Unterthemen meiner Profession.

Innovation an Hochschulen

Eva Müller schreibt heute im Manager Magazin zu folgendem Thema (siehe → Forsche Firmen dringend gesucht):

„Globale Marktanteile wird nur die Volkswirtschaft gewinnen, der etwas Neues einfällt. An deutschen Unis entstehen jedoch immer weniger Start-ups. Wie unsere Hochschulen Hightech-Spin-offs besser fördern können.“

Mit vielen Punkten mag sie ja recht haben. Ich denke jedoch, daß ein Aspekt fehlt. Und ich habe ihn oben bereits unter Business Models erwähnt:

Ich denke, daß es vielen Neustartern nach wie vor an gutem Produktmanagement fehlt. Wie oft werden hier technisch tolle Produkte entworfen, und wie schwach ist dann doch die Umsetzung in den Markt. Nur ein Beispiel, das mir aufgefallen ist (obwohl es ggfs nicht ganz passt): iPad versus WePad.

Apple ist unbestritten der Marketing- und Technologie-Gorilla per se. Neulich begab sich daß dieser Gorilla mit Werbemillionen, und gut geölter Marketingmaschine eine Revolution ankündigt: das iPad.

Eine kleine Firma arbeitet an einem Konkurrenzprodukt, und fällt Apple mit der Bemerkung in die Parade, daß man auch an einem solchen Gerät arbeite. Am Ende kam es erst nach langer Zeit in die Läden, hatte einige Fehler, und wird seitdem marketingseitig auch eher lieblos behandelt (keine Artikel, keine begeisterten Blogger,…in Handel einige Demogeräte neben palettenweise IPads in weißen Kistchen). Wirklich schade.

Ich habe mir das WePad am Wochenende näher angesehen. Es handelt sich um ein tolles Produkt, daß gegenüber der Konkurrenz einige Vorteile hat (z.B. Anschlüsse). Leider hat es aber auch einige Defizite (z.B. einen lauten Lüfter). Die Bedienung ist erstaunlich intelligent gemacht. Insgesamt ein durchaus gutes und entwicklungsfähiges Produkt. Nur ist es wirklich schon in der Lage, um Apple frontal in die Parade zu fahren?

Die Frage die sich daraus für Produktmanager ergibt:

  • Warum hat man das Produkt mit den aktuellen Merkmalen ausgestattet, und warum hat man das Go-To-Market so gewählt, wie man es getan hat?
  • Warum hat man den iPad nicht angegriffen, wie es ein Judokämpfer tun würde, und hat sich stattdessen als Gorilla positioniert?

Innovators Go It Alone

In seinemn HBR Artikel → Innovators Go It Alone schreibt Ndubuisi Ekekwe über die Gefahren falschverstandener Kundenorientierung

„For a long time, Ford, Chrysler, and GM followed the same strategy: they built big gas-guzzlers. Asian competitors attacked that model, took market share, and transformed the U.S. automobile industry…..

… The new entrants attacked a reliable business model and disrupted a market in which the incumbents competed by cooperating, tacitly agreeing to procedures that ensured that the industry as a whole remained continuously healthy. Indeed, terms like „win-win“ and „coopetition“ are very common in our contemporary business lexicons. But in many cases, firms fail to separate the necessity of preserving their industries from developing individual survival strategies. They become docile and follow one another.“

Auf hochdeutsch: Die amerikanischen Autohersteller wurden von Ihrer Konkurrenz an die Wand gedrückt, weil sie gelehrig/gefügig wurden, und einer dem anderen gefolgt ist – und dies obwohl sie es wohl selbst sehen konnten, daß die Zeit der großen Spritsäufer vorbei war.

Ein wichtiger Grund der immer wieder zu solchen Effekten führt, ist einfach zu lösen. In solchen Firmen schwärmt das Produktmanagement aus – möglichst noch junge Leute von der Uni mit wenig Standing –  und befragt Kunden. Vor lauter Zuhören, auch bei den wildesten Anforderungen, wird vergessen genau nachzufragen, was das eigentliche Kundenproblem ist. Zudem wird vergessen zu prüfen, ob die Anforderung sinnvoll sein kann, da das Problem wirklich so zu lösen ist, wie es der Kunde fordert.

Die Ergebnisse werden in nette Studien und Anforderungslisten verpackt, und mit nach Hause gebracht.

Parallel dazu hält das Top Manager die Entwickler dazu an, kundenorientiert zu entwickeln – wobei Kundennähe übersetzt wird mit „Machen, was der Kunde will“. Und schon ist es passiert: Spritsäufer soweit das Auge reicht.

Klar sollen die Entwickler kundenorientiert entwickeln, und soll das Produktmanagement Kunden befragen. Nur, muss man ganz sicher sein, daß man das eigentliche Kundenproblem versteht, und man muss das entwickeln, was der Kunde eigentlich will, bzw was er wollen sollte.

Gutes Beispiel: Die erste Bahn wäre fast daran gescheitert, daß die Leute gedacht haben, daß Menschen keine Geschwindigkeiten über 30 km/h überleben können. Zum Glück hat man die Leute nicht vorher befragt gehabt, was sie wollen…

Weiterführende Informationen

… auf www.Produkt-Manager.net

In den folgenden Artikeln finden Sie weiterführende Informationen zum heutigen Thema:

Kontakt

Das Original dieses Artikels ist auf Der Produktmanager erschienen (©Andreas Rudolph). Regelmäßige Artikel gibt es über die (→Mailingliste), oder indem Sie →mir auf Twitter folgen. In der Online Version finden Sie hier die versprochenen weiterführenden Links:

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