In ihrem heute veröffentlichten Artikel → Gut kopiert ist halb gewonnen befasst sich das Handelsblatt mit dem Thema Innovation, und (u.a.) mit dem Buch Copycats von Oded Shenkar, einem Management-Professor an der Ohio State University.
Das folgende Zitat aus dem Artikel ließ mich hellhörig werden, weil es letztendlich bedeutet, daß es doch nicht sinnvoll ist, in Innovation zu investieren:
„Shenkar hat beeindruckende Zahlen auf seiner Seite: zum Beispiel eine Studie, nach der in den USA zwischen 1948 und 2001 die Innovatoren nur 2,2 Prozent des wahren Wertes ihrer Erfindungen selbst einstreichen konnten – der Rest ging, schlussfolgert Shenkar, an Nachahmer. Schon eine Untersuchung aus den frühen 80er-Jahren hatte gezeigt, dass von 48 Erfindungen 34 kopiert worden waren.“
Bei genauerem Hinsehen kommt der Artikel aber zu einem anderen Ergebnis:
„… um geschicktes Adaptieren. „Imovation“ ist sein etwas gekünsteltes Schlagwort, mit dem er für einen schlagkräftigen Strategie-Mix aus Erfinden und Nachmachen wirbt… Imovatoren übernehmen das Beste von anderen Produkten oder Konzepten und kombinieren es mit eigenen Innovationen.“
Na bitte, letztendlich behauptet er, daß es sinnvoll ist „das Beste“ von anderen Produkten/ Konzepten zu übernehmen. Dies bedeutet aber nichts Anderes, als daß man sowohl den Kundenbedarf kennen, als auch die Technologie beherrschen sollte, bevor man auf den Markt geht.
Das hört sich für einen Produktmanager gwohnt an.
Weiterhin schlägt der Artikel mit dem folgenden Argument in die „Clayton-Christensen-Kerbe“. Der Unterschied zu Christensen ist, daß er vorschlägt, daß sich etablierte Unternehmen aktiv nicht in das Gebiet der Disruptive Innovation begeben sollte (Christensen behauptet, daß dies passiert, weil diese aus ökonomischen Gründen diese Produktfelder aktiv vernachlässigen):
„Daraus leiten Markides und Geroski die Empfehlung ab, dass sich gerade etablierte Firmen nicht in den Wettbewerb um radikale Innovationen stürzen sollten, sondern besser beraten seien, ein schneller Zweiter zu werden. Das heißt: „So lange abwarten, bis zu erkennen ist, welche Produktvariante sich auf dem Markt durchsetzen wird“ – um dann mit aller Macht die Größenvorteile gegenüber den oft kleinen Erfinder-Firmen zu nutzen. Die schnellen Zweiten können dann eine ausgereiftere, aber auch preisgünstigere, weil zu geringeren Kosten produzierte eigene Variante auf den Markt bringen.“
Das ist auch nicht ganz neu. Ist es doch so, daß sich viele Marktführer schwer damit tun, Disruptive Innovation hervorzubringen, und oft erst dann starten (oder aufkaufen), wenn sich eine neue Technologie etabliert hat.
Generell halte ich es für gefährlich, sich generell nur auf eine Follower-Rolle zu versteifen, und diese zum Prinzip zu erheben. Gerade in der IT kann man sehen, daß oft genau die Firmen bedeutend geworden sind, die eine neue Produktkategorie als erste mit Produkten besetzen konnten, die die Kunden wollten (z.B. Microsoft). Oder, die Firmen sind groß, die als Erstes neue Kategorien definieren (Beispiel: iPad).
Auf der anderen Seite kann man aber auch Firmen sehen, die als Follower groß geworden sind, indem sie den Innovator überflügelt haben (z.B. Google/Yahoo). Oft liegt dieses Ergebnis aber weniger an der Innovation, die man verbessert hat, sondern, eher an dem Kundenbedarf, den der Innovator übersehen hatte (bei Yahoo/Google waren es zum Anfang die Suchgenauigkeit und – geschwindigkeit).
Meiner Erfahrung nach haben innovative Prozesse in der Tat sehr viel mit der „Imitation“ zu tun, jedoch teilweise etwas anders, als es Shenkar vordenkt. Das Rezept mag funktionieren bei den im Artikel aufgeführten Konsumgütermärkten. Bei Technologie, denke ich, daß es eher nicht sinnvoll ist zuviel zu imitieren.
Denken Sie einmal daran, wie sie selbst täglich daran arbeiten, Anforderungen einzuholen, die Sie am Ende in einer Spezifikation einmünden lassen.
Was Sie letztendlich hierbei machen, ist, daß Sie feststellen, welche Produktmerkmale von Kunden für wie bedeutend gewertet werden, bzw was Kunden „für das Beste“ halten würden. Sie versuchen also, sich ein Bild davon zu machen, welche Dinge nachahmenswert wären, so es sie denn gäbe.
Um dies zu tun (wissen Sie ja selbst) muss man nicht warten bis jemand Anderes eine gute Idee hatte, um sie dann zu kopieren/adaptieren. Das kann man auch selbst machen, indem man Kunden befragt.
Disruptive Innovationen basieren oft auf neuen Technologien, die zur Zeit noch schlechtere Ergebnisse bringen, zu höheren Preisen, als die führenden Produkte (z.B. die ersten Chipkameras waren teurer und schlechter, als die filmbasierten Kameras). Oft erschliessen sie zudem neue Kundensegmente, wie z.B. die Non-User.
Viele Firmen ignorieren die Gefahren wissentlich, weil ihre internen Prozesse es nicht erlauben an Produkten mit geringerer Marge, und schlechteren Leistungsmerkmalen zu arbeiten, als die bisherigen Produkte.
Sich hier wissentlich rauszuhalten, quasi aus Prinzip ein Follower werden zu wollen, halte ich bei Technologie für gefährlich, weil man so auch auf das Know How verzichtet. Ich denke, es ist demgegenüber sinnvoller, solche Innovationen in eigene Einheiten auszulagern, wie Christensen es fordert, d.h. quasi eine eigene Firma zu gründen, die man später imitierten kann.
In den folgenden Artikeln finden Sie weiterführende Informationen zum heutigen Thema
Das Original dieses Artikels ist auf →Der Produktmanager erschienen (©Andreas Rudolph). Regelmäßige Artikel gibt es über die (→Mailingliste), oder indem Sie →mir auf Twitter folgen. In der Online Version finden Sie hier die versprochenen weiterführenden Links: