Innovation, und die Rolle des Produktmanagements

Heute gab es im Manager Magazin einen interessanten Artikel zu lesen mit dem Thema → Vernetztes Wohnen: Zwischen Anspruch und Träumerei.

Ich erwähne ihn hier weniger wegen der Inhalte, sondern, weil dort einige interessante Bemerkungen stehen, die wichtig sind für das Innovationsmanagement generell.

Die Wichtigsten Gedanken

Der Artikel handelt von der Durchsetzung von innovativen Produkten, und hält hierzu fest….

„Visionen und Anwendungen eines „vernetzten Wohnens“ kannte man ja schon in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Durchsetzen konnte sich damals freilich so gut wie nichts. Vielen ist zum Beispiel noch der „intelligente Kühlschrank“ in Erinnerung. Mit dem Supermarkt vernetzt sollte er uns, wenn uns Käse und Jogurt ausgegangen waren, für das morgige Frühstück Nachschub bestellen. Von seinen Erfindern einst als „Killerapplikation“ gefeiert, fristet dieser Kühlschrank heute ein trauriges Dasein im Museum der digitalen Fehlkonstruktionen….

Dieses Scheitern hat zum einen mit der logistischen Komplexität und mit den hohen Kosten einer solchen Anwendung zu tun. Aber die entscheidende Ursache, die den intelligenten Kühlschrank in einen Flop verwandelte, war die sozialpsychologische Naivität dieser Anwendung..

An diesem Beispiel kann man gut die Differenz zwischen technokratischerVision und einer soziotechnologischen Innovation erkennen, die psychologisch wie soziologisch gut durchdacht sein muss.“

Über die neue Gebäudeautomation heisst es dort

„Eine Barriere, die sich als Sicherheitsparadoxon formulieren lässt: Warum sollte ich die Sicherung meiner Wohnung (sowie die Steuerung sensibler Heizungs- oder Klimaanlagen) einem System anvertrauen, dessen eigene Sicherheitsprobleme derart komplex und notorisch sind? „

.. oder über die neuen Komforttechnologien ist zu lesen:

„Reden wir Klartext: Es handelt sich hier häufig um Komforttechnologien, die uns als Trottel behandeln und immer weiter vertrotteln lassen. Wer die hier angesprochenen intellektuellen und körperlichen Funktionen an vernetzte Systeme abtritt, darf sich nicht wundern, wenn er es eines Tages völlig verlernt hat, seine sieben Sachen beieinander zu halten.“

Als Fazit wird festgehalten:

„Mit solchen Ängsten und Emotionen, Widersprüchen und Barrieren hat es die IT-Branche zu tun, wenn das Konzept des vernetzten Wohnens die Gesellschaft überzeugen soll. Sicherlich, die Zeit, in der man dieses Konzept mit Verweis auf den wenig „intelligenten Kühlschrank“ ad acta legen konnte, ist vorbei. Aber diese Episode sollte uns lehren, dass man über den Tellerrand rein technologischer Fragestellungen hinaus blicken und diese als interdisziplinäre, soziotechnologische Herausforderungen annehmen muss, bevor aus Milliardenprognosen Realität werden kann.“

Übersetzung in die Praxis des Produktmanagers

Ein wichtiger Teil der Funktion des Produktmanagements ist das Rollin von Anforderungen. Letztendlich geht es darum, dem Entwickler die notwendigen Informationen zu geben, die er benötigt, um ein Produkt zu entwickeln. Um ein Produktdesign erstellen zu können, möchte der Produktentwickler verstehen, was dieses Produkt genau leisten soll. Organisatorisch verfährt man dabei in folgenden Schritten:

  • Der Produktmanager fasst die Anforderungen der Kunden in einer Requirementsspecification zusammen. Dieses Dokument beschreibt das „was“, weniger das „wie“
  • Die Produktentwicklung antwortet hierauf mit einem Produktdesign (Engineering Response Document), das das „wie“ abdeckt
  • Beide Seiten einigen sich normalerweise in der anschliessenden Iterationsphase auf das eigentliche Design, bzw die eigentlichen Requirements, indem sie „Lücken schliessen“.

Was kann man falsch machen?

Kühlschränke, die im Internet einkaufen, ohne dass dies jemand möchte, haben ihre Ursache oft in Fehlern, die genau in dieser Rollinphase gemacht werden. Einige der typischen Praxisprobleme kommen wie folgt zustande:

  • Der Kunde wird nicht verstanden. Oft sprechen Produktmanager mit den Kunden, um Anforderungen zu erheben, oder sie verwenden weitere marktnahe Informationen, um zu diesen Angaben zu  kommen. Häufig passiert es in dieser Phase, dass die eigentlichen Anforderungen nicht verstanden werden. Dies kann zum Beispiel passieren, wenn man beim Kunden nicht mit Anwendern redet, sondern mit Projektleitern, denen die unmittelbare operative Erfahrung fehlt. Ein weiteres Problemfeld ist, dass man oft nur vermeintlich die Kundensituation versteht, d.h. garnicht is zum eigentlichen Anwenderproblem vorstößt.
    • Tip 1: Reden Sie mit Anwendern, und nicht mit Mittlern
    • Tip 2: Lassen Sie sich seinen Arbeitsalltag zeigen, und verstehen Sie seine Situation
  • Wir wissen es besser. Für viele Innovationen ist es richtig, nicht nur auf Kundenbedarfe zu schielen. Vielmehr ist es oft sinnvoll, die eigene technologische Erfahrung zu verwenden, um Kundenforderungen kritisch zu hinterfragen. Trotzdem ist eine zu einseitige Technikverliebtheit nicht sinnvoll, da sie oft zu Produkten führt, die die Entwickler zwar schön finden, die jedoch aus Kundensicht unbrauchbar sind.
    • Tip 3: Nehmen Sie als Produktmanager eine Mittlerrolle ein zwischen Kundenanforderungen, und dem Blick für das technisch machbare.
    • Tip 4: Beschäftigen Sie sich (deshalb) ernsthaft mit Ihren eigenen Produkten, und stellen Sie sicher, dass Sie ein ernstzunehmender Experte werden – bzw Beschränken Sie Ihr Selbstverständnis eben nicht nur auf das Präsentieren und Verkaufen, sondern bohren sie tiefere Bretter
  • Wir sind zu hastig: Viele Unternehmen denken (auch angeheizt durch Theoretiker von der Universität), dass Time-To-Market der alles entscheidende Faktor ist, d.h. der Versuch, immer als erstes mit einem neuen Produkt am Markt zu sein, Die Geschwindigkeit hat aber oft auch die Kehrseite, dass die Marktanforderungen oft nicht in ausreichendem Umfang geklärt sind.
    • Tip 5: Überprüfen Sie Ihre Einstellung zum Time-To-Market kritisch, und stellen Sie sicher, dass Ihr Unternehmen eine angemessene Balance findet zwischen den Anforderungen nach Geschwindigkeit, und den Notwendigkeiten, die Kundenbedürfnisse zu erfassen.
    • Tip 6: Seien sie mutig, und gehen Sie auf eine Follower Strategie, wenn sich eine Leader-Strategie nicht durchhalten lässt. Wie man am Beispiel von Apple sieht, kann sich dies manchmal lohnen.

Weiterführende Informationen

Das Original dieses Artikels ist auf Der Produktmanager erschienen (©Andreas Rudolph). Regelmäßige Artikel gibt es über die (→Mailingliste), oder indem Sie →mir auf Twitter folgen. In der Online Version finden Sie hier die versprochenen weiterführenden Links:

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