Ich habe in den letzten Wochen an (Software-) Lösungen mitgearbeitet, die dazu dienen, besser mit der aktuellen Corona Epidemie umzugehen.
Ein zentrales Element einer solchen Lösung ist eine gute Usability. Dies gilt insbesondere deshalb, weil sich viele Lösungen an Menschen richten, die bisher noch nicht mit EDV in Kontakt gekommen sind.
Eine Frage habe ich immer wieder gehört: Wie können Startup-Unternehmen oder kleine Projekte vorgehen, die einfach nutzbare Software entwickeln wollen?
Um sicherzustellen, dass eine Lösung die Anforderungen der Zielnutzer bestmöglich abdeckt, muss man diesen Nutzer zunächst einmal definieren und danach muss man ihn kennenlernen.
Im ersten Schritt führt man daher typischerweise User-Research durch und überlegt sich gleichzeitig, welches Marktproblem das eigene Produkt adressieren soll.
Beide Stränge zusammengenommen, und möglichst detailliert betrachtet, definieren, wie ein Produkt aussehen muss, dass den Anforderungen gerecht wird. Hier klärt sich ebenfalls, für welche Nutzergruppe man arbeitet.
Sobald man weiß, welche Lösung und wofür sie entwickelt werden soll, muss man das „wie“ besser verstehen. Leitfragen sind hierbei u.a.:
Beim Klären der Leitfragen hilft User-Research ebenfalls. Besonders hilfreich ist es, wenn man sich mit dem damit gewonnen Material fiktive Charaktere („Personas“) erschafft, die dann jeder im Team kennt und vor Augen hat. Solche Charaktere personifizieren die Anforderungen dann quasi, und sorgen für eine einheitliche Sicht.
In der User-Research Phase notiert man sich typischerweise sehr viele, unterschiedliche Anforderungen, und man erfährt, wie wichtig diese Anforderungen sind. Darüberhinaus reden viele Mitarbeiter/ Teammitglieder mit vielen Anwendern. Daher hat direkt nach den Interviews oft niemand einen Gesamtüberblick.
Die erfassten Anforderungen sollte man deshalb strukturieren, gruppieren und systematisch dokumentieren, bevor man damit im Team weitermacht.
Anforderungen einfach zu gruppieren reicht aber nicht aus, da man sonst den Kontext verliert, in dem diese Produktanforderungen gelten.
Vielmehr sollte man für jede Persona die Szenarien dokumentieren und die Gelegenheiten festhalten bei denen der Nutzer das Produkt benutzt.
Solche User Journeys beantworten typischerweise die folgenden Fragen:
Nachdem man den Zielnutzer kennt, und verstanden hat, wann und wie er das Produkt verwenden möchte, beginnt man mit dem Entwurf der User Interfaces und legt die Abfolge der Screens fest („Storyboard“).
Dabei kommt es in dieser Phase darauf an, schnell und flexibel zu sein, und möglichst viel zu iterieren. Daher sollte man sich nicht auf übermäßige Präzision, Schriftarten, Farben etc konzentrieren, sondern auf die Lösung insgesamt.
Ebenfalls ist es wichtig, die skizzierten UIs und Prozesse mit Nutzern zu besprechen und zu testen, wie diese damit umgehen können. Hingekritzelte Entwürfe helfen hierbei ebenso, wie etwas formalere Wireframes, die man mit einer Software erstellt hat.
Sinnvollerweise führt man Usabilitytests mit den eigentlichen Zielnutzern durch. Jedoch können auch fachfremde Nutzer wertvolle Hinweise geben, welcher Screen oder Ablaufschritt wie verständlich ist.
UX, UIs und Nutzeranforderungen sind wichtig. Viele Elemente einer Softwarelösung werden aber extern definiert, und sollten ebenfalls bereits in einer frühen Entwurfsphase mitbetrachtet werden.
Erfahrungsgemäß haben mindestens die folgenden Bereiche einen großen Einfluss auf die Gebrauchsfertigkeit einer Softwarelösung:
Viele Anwendungen verarbeiten personenbezogene Daten. Damit unterliegt die Verarbeitung rechtlichen Anforderungen (Stichwort „DGSVO“).
Beispielsweise sorgt das Prinzip der Datensparsamkeit, das rechtlich vorgeschrieben ist, dafür, dass man sich sorgfältig überlegt, auf welche Daten und Datenverarbeitungsschritte man verzichten kann, da man die Daten eigentlich nicht zwingend benötigt.
Dies gilt auch dann, wenn Zielnutzer sich manche Daten eigentlich wünschen würden.
Die Softwarearchitektur definiert, welche Systeme wann und wie zusammenarbeiten. Daraus ergeben sich Muster und Abläufe, die sich auch dann nur schwerlich durchbrechen lassen, wenn sich Zielnutzer einen manchmal einen anderen Ablauf vorstellen.
Viele Softwarelösungen funktionieren nur dann richtig, wenn sie sich in generelle Standards einbetten.
Beispielsweise müssen viele Gesundheitsanwendungen mit übergeordneten Krankenhaussystemen zusammenarbeiten, und verwenden hierfür den Standard FHIR® – Fast Healthcare Interoperability Resources (hl7.org/fhir).
Solche Interfaces und Standards haben wiederum einen starken Einfluss auf die Usability.
Das Original dieses Artikels ist auf →Der Produktmanager erschienen (©Andreas Rudolph).
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