Vor einiger Zeit hatte ich einige Artikel zum Problem der geplanten Obsoleszenz geschrieben. Auslöser war mein iPod, der direkt nach dem Ablaufen der Garantie irreparabel kaputt gegangen war.
Neulich hat schon wieder eines meiner Geräte den Geist aufgegeben. Auch diesmal war ein relativ banaler Grund verantwortlich für das Versagen meiner kompletten Zahnbüste. Diese ist vermutlich diesmal so kaputt, daß ich sie ersetzen muß, obwohl wieder nur ein billiges Bauteil versagt hat.
Gleichzeitig habe ich eine neue Studie über das Thema der geplanten Obsoleszenz gelesen, die einige sehr interessante Zusammenfassungen bringt, und bei mir einen Aha Effekt ausgelöst hat.
Eine gute Gelegenheit, mal wieder über dieses leidige Thema zu schreiben.
Meine erste elektrische Zahnbürste der Marke Braun ist ausgefallen, weil die Batterie kaputt war. Ich habe sie damals zähneknirschend ersetzt, weil mein mir im Fachhandel sagte, daß soetwas irreparabel sei.
Wie ich später gelernt habe, stimmt es nicht ganz. Man kann vielmehr diese Zahnbürsten mit etwas Bastelgeschick und Lötkolben selbst reparieren. Hierfür gibt es einige Videos im Netz. Das sich dies lohnt, zeigt der folgende Vergleich: Handstück – mehr als 100 Euro versus Batterie – weniger als 5 Euro.
Das neue Gerät war nun schon wieder über zwei Jahre alt, und befindet sich, beziehungsweise befand sich, im täglichen Gebrauch. Wäre es mir nur nicht aus einem halben Meter Höhe heruntergefallen, würde das Gerät wohl noch funktionieren.
Das Fallenlassen auf einen flauschigen Teppich hat dafür gesorgt, daß im Inneren einige filigrane Kabel abgerissen sind, und die Zahnbürste keinen Mucks mehr macht. Eigentlich würde man denken, daß dies nicht möglich ist – Totalschaden wegen Kleinigkeit.
Kleiner Schaden an Sollbruchstellen, große Wirkung bis hin zum Totalschaden: das sind die Merkmale der geplanten Obsoleszenz.
Der Herausgeber der Community ‚MURKS? NEIN DANKE!‘ hat zusammen mit anderen Autoren ein längeres Gutachten im Auftrag der Bundestagsfraktion „Bündnis 90/ Die Grünen“ über die Problematik geschrieben (siehe weiterführende Information am Artikelende).
Daran erklären die Autoren die verschiedenen Modelle, die beim Thema geplante Obsoleszenz zum Einsatz kommen, und sie geben auch einige typische Beispiele für die Tricks der Hersteller, um ihren Gewinn zu steigern mit Produkten, deren Lebensdauer verkürzt ist.
Die Autoren kommen zu dem Schluss, daß die folgende Faktoren besonders starke Anreize bieten, um Produkte so zu konstruieren, dass sie möglichst direkt nach der Garantiezeit ausfallen – wie der Ausschnitt aus der Studie zeigt:
Besonders stark in Richtung geplanter Obsoleszenz wirken folgende Faktoren:
- Gesättigte Märkte bzw. Überkapazitäten
- Unübersichtliche/Intransparente Märkte bzw. Vielzahl oder Überfülle von Produkten
- Kapitalmarkt- bzw. starke Gewinnorientierung der Hersteller
- Ethische Einstellung des Managements bzw. die Frage der Moral
In gesättigten Märkten ist es nicht einfach für Hersteller, Umsatz zu generieren. Viele Hersteller bauen deshalb ihre Produkte so, daß sie relativ schnell ausfallen. Entweder gehen solche Geräte direkt nach der Garantiezeit kaputt, oder es wird eine neue Version eines Gerätes herausgegeben, was die Vorgängerversion sehr alt aussehen läßt, und für ‚Upgrades‘ sorgt.
Je intransparenter diese Märkte sind, desto schwerer fällt es Kunden, zu Konkurrenzprodukten abzuwandern.
Ein wichtiges Motiv scheint die Gewinn- und Umsatzorientierung von Unternehmen zu sein. Hierbei kommt geplante Obsoleszenz offenbar stärker im Bereich der Komsumprodukte für Endkunden vor, als bei Produkten, die sich an Unternehmen richten.
Anscheinend ist auch ein wenig die fehlende Moral der Verantwortlichen schuld.
Die Autoren unterscheiden mehrere Arten von geplanter Obsoleszenz.
Manche Produkte werden bewusst so entwickelt, daß sie frühzeitig ausfallen. Hierbei werden oft Teile eingebaut, die eigentlich zu klein dimensioniert sind und deshalb schnell versagen. Bei meiner Zahnbürste vermute ich, daß die Kabel nicht gerade auf Langlebigkeit ausgelegt sind. Gleiches gilt für den Schalter meines iPods, der vor einigen Monaten kaputt gegangen ist (siehe verlinkte Artikel).
Ein beliebter Trick scheint ebenfalls zu sein, Bauteile einzusetzen, die schnell verschleißen.
Die Variation des gewollten vorzeitlichen Verschleißes erfordert, daß die Konsumenten mitmachen. Diese Form der Obsoleszenz erlebt man zum Beispiel oft bei den Modellzyklen der Smartphones, oder ähnlichen Geräten.
Hier bringen die Hersteller regelmäßig neue Produkte mit neuen Features heraus, die die alten Smartphones entwerten, was man dann daran sieht, daß viele Leute auf die neuen Gerät umsteigen, und die Preise für die Vorgängergeneration schnell verfallen.
Oft liest man hier einen Begriff der eigentlich aus der IT kommt, und dort eine andere Bedeutung hat: Upgraden auf das neue Gerät.
Die Studie nennt mehrere Gründe, die zu qualitativ minderwertigen Produkten führen, unterhalb der Wahrnehmungsschwelle der Kunden:
Dabei ist die Qualität der Produkte nicht so schlecht, dass es direkt auffallen, und das Image der Firma schädigen würde. Vielmehr versagen diese Produkte so, daß es dem Kunden nicht sonderlich auffällt, daß das konkrete Produkt nicht lange gehalten hat.
Nutznießer von schlechter Qualität sind meist die Unternehmen, die es mit dieser Methode auf Kosten der Kunden schaffen, traumhafte Renditen zu erzielen. Weitere Nachteile entstehen bei der Gesellschaft, die mit den großen Müllbergen zu kämpfen hat.
Im letzten Teil schätzt die Studie die Gesamtkosten der geplanten Obsoleszenz ab. Hierfür definieren die Autoren drei Szenarien und kommen damit zu unterschiedlichen Schätzungen zu den Gesamtkosten.
Je Szenario unterscheiden sie hierbei die folgenden Kostenblöcke:
Die Autoren kommen zu dem Schluß, daß geplante Obsoleszenz allen Verbrauchern schadet, und nur wenigen Firmen nutzt. Sie schlagen vor, die Debatte um die Neuausrichtung der Stoffkreisläufe öffentlich zu führen.
Ich arbeite in der IT. Dort kommt die hier geschilderte Problematik nicht vor, da eine Software ja kaum versagen kann, nachdem sie eine Zeitlang funktioniert hat. Trotzdem ist natürlich auch hier der negative Einfluß von Zeitdruck und mangelnder Qualitätskontrolle zu beobachten.
Generell bin ich aber schon seit langer Zeit ein Konsument. Dort beobachte ich das Problem der geplanten Obsoleszenz schon lange. Inzwischen bin ich der Meinung, daß dieser Weg nicht richtig ist, und würde mir manchmal wünschen, daß Hersteller andere Wege finden würden, um Ihre Umsätze zu erzielen.
Mich jedenfalls ärgert es zusehends, wenn eigentlich funktionierende Produkte wegen banaler Gründe ausfallen, und ich neu kaufen muß, was ich schon einmal gekauft hatte.
Die Studie zeigt, daß ich nicht alleine bin, und, daß die Kosten hoch sind.
Ein neues Modell des Stoffkreislaufes ist überfällig, wird allerdings nicht einfach umzusetzen sein, weil der hohe Umschlag ja nicht zur beim Produkt erfolgt, sondern in alle angrenzenden Prozesse abstrahlt (Werbung, Entwicklung,…, Vertrieb).
Das Original dieses Artikels ist auf →Der Produktmanager erschienen (©Andreas Rudolph). Regelmäßige Artikel gibt es über die (→Mailingliste), oder indem Sie →mir auf Twitter folgen. In der Online Version finden Sie hier die versprochenen weiterführenden Links:
Sie sind tatsächlich nicht alleine. Es wird Zeit für diese öffentliche Debatte. Übrigens gibt es auch im Softwarebereich geplante Obsoleszenz, z.B. wenn nach einem Betriebssystemupdate Druckertreiber nicht mehr funktionieren oder für bestimmte Geräte Updates nicht zur verfügung gestellt werden.
Über den vertiefenden Dialog mit Produktmanagern zum Thema freue ich mich.
Stefan Schridde
Autor der Studie „Geplante Obsoleszenz“
Danke für das Feedback. Ja, hier ist Software das Mittel. Versagen tut aber die Hardware. Software selbst fällt nur dann aus, wenn die Wartung eingestellt wird…. Wie auch immer-es ist ein Problem,